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Die Erde ist nah

Die Erde ist nah

Titel: Die Erde ist nah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludek Pesek
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dich doch zusammen!«
    Williams sieht mich erst verständnislos an, lächelt dann schuldbewußt und entschuldigt sich.O'Brien meldet in die Basis, daß er Williams einige Tage mit mir ausruhen läßt und daß er inzwischen nur mit den kleinen Schleppern einen Übergang über das Hügelland suchen will. Der Kapitän zögert mit der Zustimmung zu diesem Wagnis. Aber wieder merke ich, daß er seine Autorität gegenüber der Unnachgiebigkeit O'Briens nicht durchzusetzen wagt. Deshalb spricht er lieber von einem neuen Plan, der inzwischen in der Basis ausgearbeitet wurde und der eine reale Möglichkeit bietet, mit Hilfe der vier kleinen Eidechsen, der Libelle und eines Systems von vorgeschobenen Stützpunkten das Gebiet Deucalionis Regio innerhalb von fünfzig Tagen sicher zu erreichen. Jede Tagesetappe würde gleichzeitig einen sicheren Stützpunkt für die Libelle bedeuten. Ich habe das Gefühl, daß der Kapitän O'Briens hartnäckigen Widerstand taktisch zu brechen versucht. Die Verhandlungen enden mit einem Kompromiß, wobei der Kapitän mehr nachgibt als O'Brien: die Expedition unternimmt innerhalb von drei Tagen kurze Ausfälle zur Erforschung des Geländes im Gebiet der Barriere. Die Astra soll als Ausgangspunkt dienen. Noch am selben Vormittag läßt O'Brien einen Teil der Vorräte - Chemikalien für die Sauerstoffgeräte, Wasser und Treibstoff - vom großen auf die kleinen Anhänger der Eidechsen umladen, und kurz nach Mittag fahren zwei Eidechsen mit acht Mann Besatzung los. Ich stehe auf der steinigen Fläche vor der bewegungslosen Astra und sehe mit gemischten Gefühlen den in eine Staubwolke eingehüllten Fahrzeugen nach. Im Kopfhörer vernehme ich von Zeit zu Zeit die Gespräche der Besatzung. Ich beobachte meine Gefährten, bis sie hinter einer Geländewelle verschwinden. Sobald die menschlichen Stimmen verstummt sind, drückt eine sonderbar beunruhigende Stille an meine Schläfen. Es ist völlig windstill, der Himmel hängt farb- und formlos wie eine schmutzige Zeltplane über der öden Landschaft. Ich wende mich der Astra zu, um in die Überdruckkabine zu steigen und den schweren Raumanzug abzulegen. In dem Augenblick, als ich den Fuß auf die Treppe setze, sehe ich, daß sich hinter dem Fahrzeug am Gipfel des Felsens etwas bewegt: ein Felsblock, der in riesigen, langsamen Sprüngen den kleinen Hang hinabstürzt und unten im Geröll liegenbleibt. Wie lange mag wohl diese Sekunde, in der sich der Felsblock vom Mutterfelsen loslöste, herangereift sein? Wie lange haben Wind, Frost und Sonnenglut genagt, ehe sie diese schwere, umförmige Masse abspalteten und ihr Bewegung und Verwandlung gönnten? Ich begreife, daß alles natürlich ist, daß sich nichts Ungewöhnliches ereignet hat. Die Harmonie des Weltraums, dessen Bestandteil ich bin, wird durch meine Gegenwart nicht gestört. Jetzt gehöre ich hierher, genauso natürlich, wie ich nach hundert Jahren nicht mehr hier sein werde. Genauso natürlich, wie diese Felsenwände nach Milliarden Jahren in der Glut der alternden Sonne absterben werden, ohne Mitleid für die längst vergessene Menschheit. Und irgendwo auf einem Planeten, der kaum so weit ausgekühlt ist, daß Wasser bestehen kann, werden in seichten Resten irgendwelche Vorzeichen von Leben andeuten, daß vielleicht einmal Gras oder ein Baum oder ein Pferd, ein Vogel oder ein Mensch entstehen wird.
    Henry Williams schlief, als ich die Kabine betrat. Ich setzte mich an einen Sehschlitz und sah zu, wie die Zeit in der Stille dahinfloß. Am Abend gelang es mir, mit einem schwachen Sender auf einer der Eidechsen Verbindung herzustellen. Ich erfuhr, daß die Expedition in den Felsen am Fuß der Barriere ihr Lager aufgeschlagen hat. Nach der Schilderung McKinleys ist der Hang, den die Expedition morgen bezwingen will, mäßig geneigt, dafür aber von zahlreichen, zum Teil von Staub und Sand verwehten Kratern zerfrucht. Seiner Meinung nach stellt das Hügelland ein ursprünglich unverwehtes Relief dar, das sehr an die vom Mond bekannten Gebilde erinnert. Ich machte mir wegen des kommenden Tages Sorgen. Später sprach ich noch mit der Basis. Der Kapitän erkundigte sich nach Williams' Gesundheitszustand. Obwohl ich nichts verheimlichte, hatte ich das Gefühl, daß mir der Kapitän nicht ganz glaubte. Er sagte mir, daß Lawrenson bereit sei, alles zu riskieren, um mit der Libelle zu uns zu kommen und Williams zur Basis zu bringen. Falls der Zustand des Verwundeten ein solches Risiko erfordere, wolle er seine

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