Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Erde ist nah

Die Erde ist nah

Titel: Die Erde ist nah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludek Pesek
Vom Netzwerk:
Kampf mit dem Willen, der kapitulieren, unterliegen, fallen, schlafen will. Schlafen, vielleicht für immer.
    Gegen Morgen läßt der Staubsturm so weit nach, daß wir es wagen können, den Kampf mit dem Staub aufzugeben, in die Kabine zu kriechen, uns satt zu essen - und zu schlafen. Während das Tageslicht nur schwer durch die vom pfeifenden Wind getragenen Staubwolken dringt, schwimmen wir volle vierundzwanzig Stunden traumlos in den Tiefen einer süßen
    Bewußtlosigkeit. Als wir erwachen, heult der Wind immer noch. Es ist der vierzehnte Tag unseres Marsches. Während des ganzen Tages schaufeln wir in trüber Dämmerung den Staub von den verschütteten Schleppern und Anhängern. Gegen Ende des Tages gelingt es, den umgeworfenen Anhänger der Grünen Eidechse aus der Staubwehe auszugraben. Die Ladung hat der Wind fongeschleudert. Unter dem Staub verschüttet, wird sie ein Bestandteil der geologischen Schicht, die sich allmählich in eine winzige Zeile im Buch der Vergangenheit verwandelt, vielleicht in eine völlig bedeutungslose Zeile in der Geschichte des Planeten Mars. Für uns bedeutet dies den Verlust eines Drittels unserer Vorräte an Wasser und Sauerstoff.
    Auch am fünfzehnten Tag wird das Wetter nicht besser. Ein starker nordöstlicher Wind treibt ununterbrochen Wolken von Staub und feinem Sand über unser Lager. Wir sehen kaum zehn Meter weit. Wir sprechen mit der Basis, wo die Situation völlig gleich ist. Der Kapitän will nicht, daß wir den Marsch fortsetzen. Er schlägt O'Brien vor, zur Basis zurückzukehren, wenn sich die Situation nicht innerhalb von drei Tagen bessert. Davon will jedoch O'Brien nichts hören. Die Stimmung unter der erschöpften Besatzung ist unter dem Gefrierpunkt. Und auch am sechzehnten und siebzehnten Tag kämpfen wir mit dem Wind und dem Staub. Da befällt uns ein niederschmetternder Gedanke: Wenn die in dieser Zone fast während des ganzen Marssommers wehenden Winde so stark sind wie in diesenTagen, dann ist eigentlich unsere wissenschaftliche Forschung im wesentlichen abgeschlossen. O'Brien sagt kein Wort. Keiner von uns sagt ein Wort. Am achtzehnten Tag wird der Wind wesentlich schwächer. Wir können uns endlich den ganzen Tag ausruhen. Am Abend spricht O'Brien mit der Basis. Nach einigem Zögern gibt der Kapitän seine Einwilligung zu einem weiteren Versuch, nach
    Süden vorzudringen. Er stellt jedoch eine Bedingung: Sobald sich das Wetter verschlechtert, muß der Marsch abgebrochen werden und die Expedition zur Basis zurückkehren. O'Brien scheint diese Bedingung nicht gehört zu haben.
    19
    Am Morgen verließ die Schlepperkolonne den Hügel, der beinahe zum Grabhügel der Expedition geworden wäre. Der Wind verminderte die Sicht auf höchstens zwölf Meter. Der Karte nach erwarteten wir in südlicher Richtung befahrbares Gelände. Nach zwei Stunden Fahrt erlebten wir die erste angenehme Überraschung auf diesem Planeten: unter den Raupen der Schlepper wirbelte kein Staub mehr auf. Wir kamen auf groben, brüchigen Boden. Das im Staubnebel verschwindende Gelände war fast eben wie eine Tenne und nur von seichten Kratern durchzogen. Die Motoren liefen auf vollen Touren. Unsere gedrückte Stimmung verwandelte sich plötzlich in wilden Optimismus. Aus irgendwelchen mir unbekannten Gründen sind die menschlichen Gefühle im hiesigen Milieu extremen Schwankungen ausgesetzt. Der Mensch neigt hier ebenso leicht zu erdrückenden Depressionen wie zu berauschendem Optimismus. Mir scheint, daß die Schwankungen hier noch stärker von materiellen Bedingungen abhängen als auf der Erde. Vom medizinischen Standpunkt und nach irdischen Maßstäben können wir nicht mehr als »normal« bezeichnet werden. Ich glaube, daß man bei der Beurteilung der einzelnen Expeditionsmitglieder und ihrer Handlungen diese unterschiedlichen Maßstäbe berücksichtigen muß. Gegen Ende der Tagesetappe verzeichneten wir wieder einen Reingewinn von achtundvierzig Kilometern. Noch drei solche Tage wie der heutige, und wir wären am Ziel.
    Der folgende Tag war jedoch völlig anders. Es begann gleich am Morgen. Weil sich in der Nacht der Wind völlig gelegt hatte und der Staubnebel aus unbekannten Gründen aus der Atmosphäre verschwunden war, sahen wir nach vielen Tagen wieder die Sonne aufgehen. Nur sah sie ganz anders aus als in den vergangenen Tagen. Sie hatte eine fast purpurrote Farbe und schwebte inmitten eines schwefelgelben, am Rand grünlichen Kreises mit noch vier weiteren blassen, orangefarbenen

Weitere Kostenlose Bücher