Die Erde ist nah
Schatten die Grüne Eidechse. Mit Staunen sah ich an der Spitze ihrer Helme, dort, wo die Stäbchen der Radioantenne angebracht sind, blaue Flämmchen flackern. Ich erinnerte mich an Sion. Gleich danach flackerte auf der Oberfläche der Grünen Eidechse eine ganze Kette kleiner Flämmchen auf. Jede Spitze, jede Kante des Fahrzeugs spie Ströme bläulicher Funken aus. Ein ununterbrochenes Prasseln in den Kopfhörern hatte bereits die ganze Mannschaft geweckt. Die blauen Flämmchen erloschen, um von neuem in einem beunruhigend stillen Reigen aufzuflammen, der etwas aufreizend Schönes an sich hatte. Dann erhellte ein greller Blitz den Himmel, dem in schwacher Knall folgte. Mit einem Schlag war es wieder stockfinster. Die blauen Flämmchen waren verschwunden, und über die Dünen breitete sich wieder der schwarze Samt der Nacht aus.
Das Gewitter, das dann über das Lager hereinbrach, war das schrecklichste, das wir bisher erlebt hatten. Der erste Ansturm des Windes glich einem dröhnenden Wasserfall. In kurzer Zeit waren die Anhänger und die Grüne Eidechse völlig vom Staub zugeschüttet. Das Toben der Elemente dauerte drei Stunden. Die nachher plötzlich eintretende Ruhe war so unnatürlich, daß wir nicht wagten, uns von den Seilen loszugurten. In der undurchdringlichen Finsternis konnten wir nichts anderes tun als bis zum Morgen zu warten.
Das beklemmende Gefühl der Unsicherheit war begründet, denn anstatt von der Morgendämmerung wurde die schwarze, stickige Finsternis von einigen violetten Blitzen zerrissen, nach denen bald der zweite wütende Staubsturm folgte. Der Ansturm war verheerend, und es war geradezu ein Glück, daß die Anhänger vom Sand verschüttet waren; wenn der Sturm die Ladung erfaßt hätte, wäre sie in die Umgebung geschleudert worden, und damit wäre auch das Schicksal der Expedition besiegelt gewesen. Doch darüber dachte jetzt keiner nach, denn die einzige, unser Leben rettende Garantie waren das gut funktionierende Sauerstoffgerät und das Sicherheitsseil.
Als später der Sturm nachließ, krochen wir aus den Staubanwehungen wie erschlaffte, hungrige Käfer und scharrten in dem Dämmerlicht den Staub fort, um zum Sauerstoff und zu den Lebensmitteln zu gelangen.
Seit Beginn des Gewitters waren mehr als vierundzwanzig Stunden vergangen, und O'Briens Gruppe hatte sich noch nicht gemeldet. Allmählich wurde es doch Tag. Das trübe, düstere Licht erinnerte an den Abgrund einer tiefen Schlucht. Wir räumten mühsam den Staub an der windgeschützten Seite der Anhänger weg. Die andere Seite ließen wir vorsichtshalber im Sand.
Weder die Basis noch die Gruppe O'Briens meldete sich. Endlich, nach drei Tagen, gab O'Brien ein Zeichen von sich. Der Sturm hatte sie, so wie uns, im offenen Gelände überrascht. Der Kapitän forderte O'Brien auf, mit seiner Gruppe zurückzukehren, sobald sich das Wetter bessere. O'Brien gab darauf keine Antwort.Über Lawrenson und die Libelle wurde kein Won gesprochen, als wäre diese Angelegenheit zwischen ihnen »tabu«.
Ich war überzeugt, daß keiner glaubte, Lawrenson noch einmal zu sehen. Obwohl wir die folgenden Tage seines möglichen Lebens noch zählten, empfanden wir es doch schon als Vergangenheit.
Manchmal tauchte er in der Erinnerung auf, aber nicht in der steifen Hülle des Raumanzuges und auch nicht neben der zertrümmerten Libelle, nicht bedeckt von Staub und Sand, sondern gut rasiert und herausstaffiert, wie immer, wenn er sagte: »Na, Jungs, wo geht's heute hin ...« In den ausdruckslosen Wechsel von Licht und Dunkelheit pfiff ein andauernder Wind über das Lager. So verliefen die zehn Tage Frist für Lawrenson.
26
Aber auch nach diesen zehn Tagen gelingt uns keine Verbindung mit der Basis. Der einzige Nerv, der uns mit ihr verbindet, ist das Peilgerät. Ein ausdauernder Wind jagt graugelbe Schleier über das Firmament, doch unmittelbar über den Dünen pfeift er nicht mehr gar so wild. Obwohl die Sicht schlecht ist, könnten wir weiterfahren. Und trotzdem bleiben wir noch drei Tage in diesem gestaltlosen Grau. Der Kapitän gibt die Hoffnung nicht auf, daß O'Briens Gruppe ihre Meinung ändert und umkehrt. Aus den Radiogesprächen gewinnen wir den Eindruck, daß in der Gruppe etwas nicht in Ordnung ist, daß O'Brien etwas verheimlicht. Was ist geschehen? Ist jemand krank? Hat die Gruppe die Vorräte verloren? Der Kapitän fragt geradeheraus und erhält die Antwort, daß bis auf große Schwierigkeiten mit dem Terrain alles in Ordnung
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