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Die Erde ist nah

Die Erde ist nah

Titel: Die Erde ist nah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludek Pesek
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Unbestimmtheit und Untätigkeit nachläßt, erwachen in uns letzte Reste von Energie. Wir reihen die Fahrzeuge und Anhänger zu einem nach Norden gerichteten Halbkreis und richten ein Lager ein. Die Signalraketen werden vorbereitet. Als abends die Sonne untergeht, erscheint der Horizont gegen die rote flammende Sonne so scharf und nahe, daß scheinbar ein paar Schritte genügen, um sich über die Kulisse beugen zu können, um zu sehen, welcher Schauspieler sich für die nächste Szene vorbereitet.
     
    25
     
    Einige Minuten nach zehn Uhr vormittags landete die Libelle in unmittelbarer Nähe des Lagers. Die aufgewirbelte Staubwolke senkte sich nur langsam zu Boden, die Wüste aber machte bei der vollkommenen Windstille eine gutmütige Miene. Ein schlafendes, gesättigtes Raubtier. Lawrenson war auf Befehl des Kapitäns allein gekommen. Auf dem Rückflug sollte er den verwundeten Gray zur Basis mitnehmen und damit die Expedition um einen Mann erleichtern. Jedesmal, wenn ein Flug der Libelle ohne Schwierigkeiten gelang, schien dieses Flugzeug das beste Verkehrsmittel in dieser Gegend zu sein. Doch bald nach der ersten Begeisterung erinnerte ich mich an die raschen Wetterschwankungen, die Windstöße, die Staubstürme, und sofort kam mir die Libelle wie ein gebrechlicher Vogel vor, der gar nicht hierher gehörte. Die Beziehung zwischen dem Kapitän und O'Brien war nach wie vor gespannt, doch es bestand sozusagen ein Waffenstillstand. Beide Kommandanten hatten sich geeinigt, abzuwarten, ob das ungewöhnlich günstige Wetter innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden vertrauenswürdig beständig bliebe. Wenn keine Schwierigkeiten eintraten, sollte die Libelle am anderen Morgen in das Gebiet von Sinus Sabaeus fliegen. Nach langen Erwägungen mußte sich O'Brien mit der harten Entscheidung zufriedengeben, daß Lawrenson allein fliegen würde. Erstens deshalb, weil die Libelle mit möglichst viel Treibstoff versorgt werden konnte für den Fall, daß sich Lawrenson auf dem Rückflug verirrte, und zweitens, damit Lawrenson so viel wie möglich Mineralmuster und, wie O'Brien hoffte, auch Spuren von Organismen an Bord nehmen konnte.
    Eine fiebrige Ungeduld begann sich unser zu bemächtigen. Mit wachsender Spannung verfolgten wir den Luftdruckmesser und das Firmament.
    Als Lawrenson die Libelle bestieg, wußten wir, daß die nächsten Stunden in der Chronik der Marszeit rot unterstrichen sein würden, doch keiner ahnte, wie sehr dieser Strich das Leben eines jeden von uns kennzeichnen sollte. Ein letztes Winken - und das durchsichtige Verdeck der Kabine schloß sich. Der tellerförmige, mit satten orangefarbenen Streifen bemalte Körper hüllte sich in eine undurchsichtige Staubwolke, setzte sich vom Boden ab und stieg langsam senkrecht in die Höhe.
    Mit gemischten Gefühlen der Freude, der Angst und ein bißchen Neid verfolgten wir die Maschine, die in einem Bogen das Lager umkreiste und dann Kurs nach Süden nahm. Nach wenigen Minuten war die Libelle einer der kaltfunkelnden Sterne am Firmament, bis sie ganz verschwand. Der Empfänger der Grünen Eidechse fing Lawrensons Stimme auf, der meldete, daß er zur besseren Gesamtorientierung höher aufsteige. Dann verstummte Lawrenson eine Viertelstunde lang. In der folgenden Sendung meldete er zweitausend Meter Höhe - und schwieg wieder eine Weile. Die Stimme, die sich dann meldet, erkennen wir fast nicht, so erregt ist sie: »Es sieht aus wie ein graublaues Meer«, fast schreit Lawrenson, »es zieht sich unendlich weit über den ganzen südlichen Horizont hin, hat stellenweise rostigorangefarbene Flecken, graugrüne Streifen ... Es ist so ergreifend, daß ich es kaum beschreiben kann . .. Ich unterbreche für einige Minuten. Ich zeichne wenigstens die annähernde Lage in die Karte ein . ..« Und dann schweigen die Hörer. Lawrensons Stimme meldet sich nicht mehr. Lawrenson hat sich nie wieder gemeldet. Erst glaubten wir, daß am Empfänger der Grünen Eidechse etwas nicht in Ordnung sei. Aber auch der Empfänger der Gelben Eidechse blieb stumm. Hatte die Libelle vielleicht einen Defekt? Die wirkliche Ursache haben wir nie erfahren. Nach endlosen Stunden quälender Stille begannen wir, Signalraketen abzufeuern - in viertelstündigen Intervallen bis zum Mittag, während die Sonne die gleichgültige Wüste bestrahlte. Nach dem Mittag befahl der Kapitän, mit den Signalraketen zu sparen und sie nur in einstündigen Intervallen abzuschießen.
    Gegen Abend berieten wir über die

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