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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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von nun an nur noch den einen Gedanken, so schnell wie möglich in den Bau zurückzukommen. Sie setzte über die Hecken, sprang über Gräben, kürzte quer durch die Weinberge den Weg ab, ohne Furcht, sich auf den Rebholzern aufzuspießen. Aber ihre dünnen Beine konnten nicht durchhalten; die Hiebe regneten auf ihre runden Schultern, auf ihre noch bebenden Hüften, auf alles Fleisch des frühreifen Madchens, das sich übrigens nichts draus machte, das es schließlich drollig fand, so toll gekitzelt zu werden. Mit einem nervösen Lachen sprang sie mit einem Satz in die Behausung und floh in einen Winkel, wo die große Peitsche sie nicht mehr erreichte.
    »Gib deine hundert Sous her«, sagte der Vater. »Das soll die Strafe sein.«
    Sie schwor, sie habe sie beim Rennen verloren.
    Aber er grinste ungläubig und durchsuchte sie. Da er nichts fand, brauste er von neuem auf.
    »He? Du hast sie deinem Galan gegeben? Kreuzhimmelsakrament! Sie läßt die Kerle ran, damit sie ihr Vergnügen haben, und bezahlt sie noch obendrein!« Und außer sich ging er davon, schloß sie ein und schrie, sie werde bis zum nächsten Morgen ganz allein dort bleiben, denn er gedenke nicht nach Hause zu kommen.
    Als er weg war, untersuchte Bangbüx ihren Körper, der bloß zwei oder drei blaue Striemen hatte, brachte ihre Haare in Ordnung, zog sich wieder an. Danach schraubte sie seelenruhig das Schloß ab, eine Arbeit, für die sie eine außerordentliche Geschicklichkeit erworben hatte; dann machte sie sich aus dem Staube, ohne sich auch nur die Muhe zu nehmen, die Tür wieder zu schließen; ach was, die Diebe waren schon betrogen, wenn welche kämen! Sie wußte, wo sie Nénesse und Delphin wiederfinden würde, in einem Wäldchen am Ufer des Aigre.
    Tatsächlich warteten die beiden dort auf sie, und jetzt war ihr Vetter Nénesse an der Reihe. Er hatte drei Francs, Delphin sechs Sous. Als Delphin Bangbüx ihr Geldstuck zurückgegeben hatte, beschloß sie als gutes Madchen, daß man alles Geld gemeinsam verjubeln werde. Sie gingen zum Festplatz. Bangbüx ließ die Jungen Makronen holen, nachdem sie sich eine große rote Atlasschleife gekauft hatte, die sie sich ins Haar band.
    Inzwischen langte Jesus Christus bei Lengaigne an, als er plötzlich Bécu begegnete, der sein geputztes Schildchen auf einem neuen Kittel trug. Heftig fuhr er ihn an:
    »Hör mal, schläfst du denn, wenn du so deinen Rundgang machst? – Weißt du, wo ich deinen Delphin gefunden habe?«
    »Wo denn?«
    »Auf meiner Tochter ... Ich werde an den Präfekten schreiben, daß er dich schaßt, Schweinevater, selber ein Schwein.« Auf einmal wurde Bécu böse.
    »Deine Tochter, die sieht man ja nur mit den Beinen in der Luft ... Aha, sie hat Delphin verführt. Da schlag das Himmeldonnerwetter drein, wenn ich die nicht von den Gendarmen ins Kittchen stecken lasse!«
    »Versuch's doch, du Bandit!«
    Gesicht dicht an Gesicht, fraßen sich die beiden Männer mit den Blicken. Aber jäh entspannten sich ihre Gesichter, ihre Wut legte sich.
    »Man muß sich aussprechen. Gehen wir rein und trinken ein Glas!« sagte Jesus Christus.
    »Hab kein Geld!« antwortete Bécu.
    Da zog der andere, der sehr aufgeräumt war, sein erstes Fünffrancsstück hervor, ließ es hochspringen, klemmte es sich ins Auge.
    »He? Verjubeln wir's, Bruder Lustig! – Komm rein, alter Saubeutel! Heute bin ich dran, du zahlst oft genug.«
    Behaglich grinsend traten sie bei Lengaigne ein, schubsten sich mit einem tüchtigen, gutgemeinten Knuff.
    Dieses Jahr hatte Lengaigne einen Einfall gehabt: da der Besitzer des Tanzzeltes ablehnte, seine Bude aufzubauen – das war ihm nämlich verekelt worden, weil er im vergangenen Jahr nicht auf seine Kosten gekommen war –, hatte sich der Schankwirt aufgerafft und einen Tanzboden in seiner Scheune eingerichtet, die an den Laden stieß und deren Einfahrt zur Dorfstraße zu lag; er hatte sogar die Wand durchbrechen lassen, so daß nun beide Räume miteinander verbunden waren. Und dieser glückliche Einfall lockte die Kundschaft aus dem ganzen Dorf zu ihm, während gegenüber sein Rivale Macqueron tobte, weil niemand bei ihm war.
    »Sofort zwei Liter, jedem einen!« brüllte Jesus Christus.
    Aber als Flore sie bediente, die ganz aus dem Häuschen war und über so viele Leute strahlte, bemerkte Jesus Christus, daß ihr Mann das Vorlesen eines Briefes kurz abgebrochen hatte, den er, mitten in einer Gruppe Bauern stehend, laut zum besten gab. Auf Befragen erwiderte der Wirt

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