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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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begann. Durch die Verbindungstür sah man die vier Lampen flammen, die mit Drähten an den Balken befestigt waren. Clou, der Hufschmied, war da mit seiner Posaune, und auch der Neffe eines Seilers aus BazochesleDoyen, der Geige spielte. Der Eintritt war frei, man zahlte zwei Sous bei jedem Tanz. Der festgestampfte Lehmboden der Scheune war wegen des Staubs mit Wasser besprengt worden. Wenn die Instrumente schwiegen, hörte man von draußen, von der Schießbude her, das kurze und regelmäßige Knallen der Büchsen. Und die sonst so finstere Dorfstraße entbrannte gleichsam im Lichtschein von den Laternen der beiden anderen Buden, des vor Vergoldungen glitzernden Kramwarenstands und des Glücksrads, das mit Spiegeln geschmückt und wie eine Kapelle rot ausgeschlagen war.
    »Sieh mal einer an, da ist ja das Töchterchen!« rief Jesus Christus mit feuchten Augen.
    Das war tatsächlich Bangbüx, die, von Delphin und Nénesse gefolgt, den Tanzboden betrat; und ihr Vater schien nicht überrascht, sie dort zu sehen, obwohl er sie eingeschlossen hatte. Außer der roten Schleife, die in ihrem Haar glänzte, trug sie ein dickes Halsband aus falschen Korallen, aus Siegellackperlen, die blutig wirkten auf ihrer braunen Haut. Die drei, die es übrigens satt hatten, vor den Buden herumzustreifen, hatten sich an Zuckerzeug dumm und dusselig gegessen. Delphin hatte einen Kittel an und nichts auf dem Kopf, diesem runden und struppigen Kopf eines kleinen Wilden, dem es nur in der frischen Luft behagt. Nénesse, den bereits ein Verlangen nach städtischer Eleganz quälte, trug einen bei Lambourdieu gekauften vollständigen Anzug, eines jener schlauchartigen Gebilde, wie sie in der billigen Pariser Konfektion schockweise zusammengenäht werden, und er hatte eine Melone auf als Ausdruck des Hasses auf sein Dorf, das er verachtete.
    »Töchterchen!« rief Jesus Christus, »Töchterchen, komm her und koste das mal ... Na? Das ist doch famos?«
    Und er ließ sie aus seinem Glase trinken, während die Bécu Delphin streng fragte:
    »Was hast du mit deiner Mütze gemacht?«
    »Ich habe sie verloren.«
    »Verloren? – Komm her, damit ich dir eine Backpfeife gebe!«
    Aber Bécu schritt ein, grinste und fühlte sich geschmeichelt, als er an die frühreifen Späßchen seines Sohnes dachte.
    »Laß ihn doch. Der wächst jetzt halt heran ... Also, ihr Gesindel, ihr knutscht euch schon ab? – Ach, so ein Kerl! Ach, so ein Kerl!«
    »Geht spielen«, schloß Jesus Christus väterlich. »Und seid artig.«
    »Sie sind besoffen wie die Schweine«, sagte Nénesse mit angewiderter Miene, als sie wieder den Tanzboden betraten.
    Bangbüx fing an zu lachen.
    »Sieh mal an! Das glaub ich schon. Damit habe ich ja gerechnet ... Deshalb sind sie ja so nett.«
    Auf dem Tanzboden ging es nun munter zu, nur Clous Posaune war zu hören, die losschmetterte und das dünne Gefiedel der Geige erstickte. Der festgestampfte Lehmboden, den man zu sehr besprengt hatte, wurde schlammig unter den schweren Schuhen; und bald stieg aus allen herumwirbelnden Röcken, aus den Jacken und Miedern, die unter den Achseln naß wurden und große Schweißflecke bekamen, ein heftiger Bocksgeruch auf, der den beißenden Qualmgestank der blakenden Lampen noch verstärkte. Aber zwischen zwei Quadrillen erregte etwas Aufsehen, nämlich das Erscheinen von Berthe, Macquerons Tochter, die ein Foulardkleid anhatte, das genauso aussah wie die Kleider, die die jungen Damen des Steuereinnehmers von Cloyes am SanktLeobinus Tag trugen. Was denn? Hatten die Eltern ihr erlaubt zu kommen? Oder war sie hinter deren Rücken entwischt? Es fiel auf, daß sie einzig und allein mit dem Sohn eines Stellmachers tanzte, den zu treffen ihr der Vater wegen eines Familienhasses verboten hatte. Man machte Witze; anscheinend hatte sie keinen Spaß mehr daran, sich allein die Gesundheit zugrunde zu richten.
    Obwohl Jesus Christus sehr blau war, fiel ihm seit einer Weile der widerwärtige Kopf Lequeus auf, der sich an der Verbindungstür aufgepflanzt hatte und zusah, wie Berthe im Arm ihres Galans umherhüpfte. Jesus Christus vermochte nicht mehr, an sich zu halten.
    »Hören Sie mal, Herr Lequeu«, rief er, »tanzen Sie nicht mit Ihrer Liebsten?«
    »Mit meiner Liebsten, mit wem denn da?« fragte der Schulmeister, dessen Gesicht eine Woge Galle grün gefärbt hatte.
    »Nun, die hübschen blauumränderten Augen!«
    Wütend darüber, daß man ihn durchschaut hatte, kehrte ihm Lequeu den Rücken zu, verharrte dort reglos,

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