Die Erde
ihres Bauches auseinandergespreizt wurden und die auch litt und leise muhte.
»Was habe ich gesagt!« rief Lise wütend. »Ach, wir sind schön dran!«
Gekrümmt vor Schmerz, mit beiden Armen ihren eigenen Bauch haltend und ihn zur Strafe mißhandelnd, schimpfte sie, redete sie mit ihm: Wolle er sie nicht gefälligst in Frieden lassen? Er könne wohl warten! Es war, als stächen sie Fliegen in die Seiten, und das Leibschneiden zog sich bei ihr vom Kreuz bis in die Knie. Sie weigerte sich, zu Bett zu gehen, trat von einem Fuß auf den anderen und wiederholte immerzu, daß sie sich das verkneifen wolle.
Als man gegen zehn Uhr den kleinen Jules zu Bett gebracht hatte, ließ Geierkopf, der verärgert war, weil er sah, daß nichts passierte, und sich deshalb entschloß, schlafen zu gehen, Lise und Françoise mit ihrer Starrköpfigkeit im Stall bei der Coliche bleiben, deren Schmerzen zunahmen. Die beiden Frauen begannen unruhig zu werden, das ging nicht recht, obwohl die Wehen, sofern sie die Knochen betrafen, beendet zu sein schienen. Der Durchlaß war da, warum kam das Kalb nicht raus? Sie streichelten das Tier, sprachen ihm Mut zu, brachten Leckereien, Zucker, den die Kuh nicht nahm, die den Kopf hängen ließ und deren Kruppe von heftigen Erschütterungen bewegt wurde. Gegen Mitternacht fühlte sich Lise, die sich bis dahin vor Schmerz gekrümmt hatte, jäh erleichtert; für sie war das bloß ein falscher Alarm gewesen, irreführende Schmerzen; sie aber redete sich ein, sie habe sich das verkniffen, wie sie ein Bedürfnis zurückgedrängt hätte. Und die ganze Nacht wachten sie und ihre Schwester bei der Coliche, pflegten sie, machten Scheuerlappen heiß, die sie ihr brennendheiß auf das Fell legten, während die andere Kuh, die Rougette, die sie vor zwei Jahren auf dem Markt in Cloyes gekauft hatten, sich über diese brennende Kerze wunderte und ihnen mit ihren großen, bläulichen und verschlafenen Augen nachschaute.
Als Françoise bei Sonnenaufgang sah, daß noch immer nichts zustande kam, entschloß sie sich loszulaufen und ihre Nachbarin, die Frimat, zu holen. Die Frimat war wegen ihrer Erfahrung in solchen Dingen angesehen, sie hatte schon so vielen Kühen geholfen, und in schwierigen Fällen nahm man gern zu ihr Zuflucht, um sich den Besuch des Tierarztes zu ersparen.
Gleich als die Frimat ankam, verzog sie das Gesicht.
»Sie sieht nicht gut aus«, murmelte sie. »Seit wann ist sie so?«
»Seit zwölf Stunden!«
Die alte Frau schnüffelte weiter hinten an dem Tier herum, steckte ihre Nase überallhin und bewegte dabei mit verdrießlicher Miene leicht das Kinn, was die beiden anderen in Angst und Schrecken versetzte.
»Da kommt jedoch die Fruchtblase«, meinte sie abschließend.
»Müssen abwarten.«
Den Vormittag verbrachten sie dann damit, zuzusehen, wie sich die Flasche bildete, die Fruchtblase, die vom Wasser aufgebläht war und ausgestoßen wurde. Man untersuchte sie, man maß sie, man beurteilte sie: eine Fruchtblase immerhin, die so viel wert war wie jede andere auch, obwohl sie sich in die Länge zog und zu dick war. Aber von neun Uhr ab hörten die Wehen wiederum auf, die Blase hing schlaff und kläglich herab, wurde durch die krampfhaften Zuckungen der Kuh, deren Zustand sich zusehends verschlimmerte, von einem regelmäßigen Schaukeln bewegt.
Als Geierkopf zum Mittagessen vom Feld heimkehrte, bekam nun auch er Angst, er sprach davon, Patoir zu holen, obwohl er zitterte bei dem Gedanken, wieviel Geld ihn das kosten würde.
»Einen Tierarzt?« sagte die Frimat kreischend. »Damit er sie umbringt, was? Vater Saucisses Kuh ist ihm vor der Nase abgekratzt ... Nein, weißt du, ich werde die Blase aufreißen und dir dein Kalb herausholen!«
»Aber«, bemerkte Françoise, »Herr Patoir verbietet, daß man sie aufreißt. Er sagt, das Wasser dadrin hilft dabei.«
Die Frimat zuckte außer sich die Achseln. Ein schöner Esel, der Patoir! Und mit einem Schnitt schlitzte sie mit der Schere die Blase auf. Das Wasser strömte mit einem Schleusengetöse heraus, alle wichen beiseite, zu spät, sie waren schon vollgespritzt. Einen Augenblick schnaufte die Coliche leichter, und die alte Frau triumphierte. Sie schmierte sich die rechte Hand mit Butter ein und langte damit hinein, die Lage des Kalbes festzustellen. Und ohne Eile wühlte sie dadrin herum. Lise und Françoise sahen ihr mit vor Angst zuckenden Augenlidern dabei zu. Geierkopf selber, der nicht aufs Feld zurückgekehrt war, wartete unbeweglich,
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