Die Erde
Frau aus dem Perche, die Garbenbinderin, die sich wunderte, daß er in dieser letzten Nacht nicht kam. Zuerst stieß er sie zurück; dann erstickte er sie mit einer Umarmung; und ihm war, als sei er mit der anderen zusammen, er hätte sie so zerbrechen, ihr die Glieder zusammenpressen mögen, bis ihr die Sinne vergingen.
Zur selben Stunde stand Françoise auf, die aus dem Schlaf hochgeschreckt war, öffnete die Luke ihrer Kammer, um Luft zu schöpfen. Sie hatte geträumt, daß man sich unten prügele, daß Hunde die Tür zerbissen. Sobald die Luft sie ein wenig erfrischt hatte, kam ihr wieder der Gedanke an die beiden Männer, an den einen, der sie haben wollte, und an den andern, der sie genommen hatte; und sie überlegte nicht weiter, all das drehte sich in ihrem Kopf, ohne daß sie zu irgendeinem Urteil oder einer Entscheidung gekommen wäre. Aber plötzlich lauschte sie. Das war also doch kein Traum? Ein Hund heulte in der Ferne am Ufer des Aigre. Dann entsann sie sich: das war Hilarion, der seit Einbruch der Nacht neben Palmyres Leiche heulte. Man hatte versucht, ihn zu verjagen; er hatte sich festgeklammert, hatte zugebissen und sich geweigert, von diesen Überbleibseln zu lassen, von seiner Schwester, seinem Weib, seinem Alles; und er heulte ohne Ende mit einem Geheul, das die Nacht erfüllte.
Schaudernd lauschte Françoise lange.
Kapitel V
»Wenn nur die Coliche nicht zur selben Zeit kalbt wie ich!« wiederholte Lise jeden Morgen.
Und ihren ungeheuren Bauch herumschleppend, vergaß Lise die Zeit im Stall und betrachtete mit besorgtem Blick die Kuh, deren Bauch ebenfalls unmäßig dick geworden war. Niemals war ein Tier so aufgebläht gewesen, so rund wie eine Tonne auf seinen dünn gewordenen Beinen. Die neun Monate waren gerade am SanktFiacriusTag um, denn Françoise hatte vorsorglich das Datum aufgeschrieben, an welchem sie Coliche zum Bullen geführt hatte. Lise war unglücklicherweise ihrer Sache nicht so sicher. Dieses Kind war so komisch gewachsen, ohne daß man es gewollt hatte, daß sie den Tag nicht genau wissen konnte. Aber das würde bestimmt um den SanktFiacriusTag herum zum Klappen kommen, vielleicht einen Tag früher, vielleicht einen Tag später. Und sie wiederholte verzweifelt: »Wenn nur die Coliche nicht zur selben Zeit kalbt wie ich! – Das wäre eine Geschichte! Ach, du liebes Leiden! Da wären wir schön dran!«
Die Coliche, die seit zehn Jahren zum Hause gehörte, wurde sehr verwöhnt. Sie war schließlich zu einem Mitglied der Familie geworden. Im Winter suchten Geierkopfs bei ihr Zuflucht, hatten keine andere Heizung als die warme Ausdünstung ihrer Flanken. Und die Kuh war sehr anhänglich, besonders zu Françoise. Sie leckte sie mit ihrer rauhen Zunge, bis sie blutete, mit spitzen Zähnen faßte sie sie am Rock, um sie zu sich heranzuziehen und ganz für sich zu behalten. Deshalb umhegte man sie noch mehr, je näher das Kalben rückte: warme Suppen, Ausgänge während der schönen Augenblicke des Tages, ein ständiges Aufpassen. Das geschah nicht bloß, weil man die Kuh liebte, das geschah auch wegen der fünfzig Pistolen, die sie wert war, wegen der Milch, der Butter, des Käses – ein richtiges Vermögen, das man verlieren konnte, wenn man sie verlor.
Seit der Ernte waren etwa vierzehn Tage vergangen. Im Haushalt hatte Françoise ihr gewohntes Leben wieder aufgenommen, als sei nichts zwischen ihr und Geierkopf vorgefallen. Er schien es vergessen zu haben; sie selber vermied, an diese Dinge zu denken, die sie verwirrten. Jean, den sie getroffen und gewarnt hatte, war nicht wiedergekommen. Er lauerte ihr hinter den Hecken auf und flehte sie an, sich abends aus dem Hause zu stehlen, um mit ihm in Gräben, die er ihr bezeichnete, zusammenzutreffen. Aber entsetzt lehnte sie ab und tat sehr vorsichtig, um so ihre Kälte zu verbergen. Später, wenn man sie im Hause weniger brauche! Und als er sie eines Abends erwischt hatte, wie sie zu Macqueron hinunterging, um Zucker zu kaufen, wollte sie ihm auf keinen Fall hinter die Kirche folgen; sie sprach die ganze Zeit von der Coliche, von Knochen, die zu brechen begannen, vom Hintern, der sich öffnete, sichere Anzeichen, bei denen er selber erklärte, daß das nun nicht mehr lange dauern könne.
Und gerade am Tage vor dem SanktFiacriusTag wurde Lise abends nach dem Essen in dem Augenblick von heftigen Leibschneiden befallen, als sie mit ihrer Schwester im Stall war und die Kuh betrachtete, deren Schenkel durch die Aufgetriebenheit
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