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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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schreien, um sich verständlich zu machen.
    »Ich werde meine Leiter holen, die da drüben an der Miete steht«, sagte schließlich Delhomme, »die können wir als Tragbahre nehmen ... Einen Toten darf man niemals auf der Erde liegen lassen, das gehört sich nicht.«
    Aber als er mit der Leiter wiederkam und man Garben nehmen und die Leiche darauf betten wollte, murrte Geierkopf.
    »Wir werden dir dein Korn schon wiedergeben!«
    »Das will ich meinen, verdammt noch mal!«
    Lise, die sich dieser Knickerigkeit ein wenig schämte, fügte noch zwei Schwaden als Kopfkissen hinzu, und man legte Palmyres Leichnam darauf, während Françoise wie im Traum, bestürzt über diesen Tod, der mitten in ihr erstes Geschäft mit einem Mann hineinplatzte, die Augen nicht von der Leiche abwenden konnte, sehr traurig war und vor allem verwundert, daß das jemals eine Frau hatte sein können. Sie und Fouan blieben da, um bis zum Aufbruch Toten wacht zu halten; und der Alte sagte auch nichts und sah aus, als denke er, daß diejenigen, die heimgehen, recht glücklich seien.
    Als die Sonne unterging, kamen zu der Stunde, da man heimkehrte, zwei Männer die Bahre holen. Die Last war nicht schwer, sie brauchten kaum abgelöst zu werden. Dennoch begleiteten die anderen sie, ein ganzer Leichenzug bildete sich. Sie kürzten quer über die Felder den Weg ab, um nicht den Umweg über die Landstraße machen zu müssen. Die Leiche auf den Garben wurde steif, und hinter dem Kopf hingen Ähren herab und schaukelten hin und her bei den taktmäßigen Stößen der Schritte.
    Nun blieb nur noch die angestaute Hitze am Himmel, eine rotgelbe Hitze, die träge geworden war in der blauen Luft. Am Horizont, jenseits des Loir Tales, breitete die im Dunst ertränkte Sonne über der Beauce nur noch ein Tuch gelber Strahlen dicht über dem Boden aus. Alles schien von diesem Gelb zu sein, von dieser Vergoldung der schönen Abende zur Erntezeit. Das noch stehende Getreide hatte Federkronen aus rosa Flammen; die Stoppelfelder starrten vor Hahnen aus schimmerndem, in Feuer vergoldetem Silber; und überall rollten sich bis ins Unendliche die Kornmieten, bildeten Buckel auf diesem blonden Meer, schienen übermäßig zu wachsen, flammten auf der einen Seite, waren bereits schwarz auf der anderen und warfen Schatten, die sich bis in die entlegenen Fernen der Ebene dehnten. Eine hehre Stille sank herab, nur noch ein Lerchensang ganz oben. Niemand sprach unter diesen ermatteten Arbeitern, die gesenkten Kopfes mit der Schicksalsergebenheit einer Herde folgten. Und man hörte nur ein leises Knarren der Leiter unter dem Hinundherschaukeln der Toten, die im reifen Korn heimgetragen wurde.
    An jenem Abend zahlte Hourdequin seine Schnitter aus, die die vereinbarte Arbeit beendet hatten. Die Männer nahmen hundertzwanzig Francs mit, die Frauen sechzig für ihren Monat Arbeit. Es war ein gutes Jahr, nicht zuviel vom Regen umgelegtes Getreide, von dem die Sense schartig wird; kein Gewitter während der Mahd. Der Vormäher, den sein Trupp begleitete, überreichte deshalb Jacqueline, die man als die Herrin des Hauses behandelte, unter lauten Ausrufen die Garbe, das geflochtene Ährenkreuz; und beim Schmaus, beim herkömmlichen Abschiedsmahl, ging es sehr lustig zu: man aß drei Hammelkeulen und fünf Kaninchen; man stieß bis so tief in die Nacht hinein miteinander an, daß alle bezecht schlafen gingen. Jacqueline, die selber blau war, hätte sich beinahe von Hourdequin an Trons Hals erwischen lassen.
    Benommen hatte sich Jean auf das Stroh seines Hängebodens geworfen. Trotz seiner Erschöpfung schlief er nicht. Françoises Bild stand ihm wieder vor Augen und quälte ihn. Er war verwundert darüber, ja fast zornig, denn er hatte so wenig Vergnügen an diesem Mädchen gehabt, nachdem er sie so viele Nächte hindurch hatte haben wollen! Seitdem fühlte er sich ganz leer, er hätte schwören mögen, daß er nicht wieder damit anfangen würde. Und da hatte er sich nun kaum hingelegt, als er auch schon wieder sah, wie sie vor seinen Augen emporstieg, und er begehrte sie noch immer, wurde rasend bei dieser geradezu fleischlich heraufbeschworenen Erinnerung: der Geschlechtsakt dort drüben erstand wieder, dieser Geschlechtsakt, an dem er so wenig Gefallen gefunden hatte und dessen geringste Einzelheiten nun sein Fleisch aufpeitschten. Wie sie wieder kriegen, wo sie festhalten, morgen, an den folgenden Tagen, immer? Ein Rascheln ließ ihn zusammenzucken; ein Weib glitt neben ihn; es war die

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