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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Vater Fouan, ich wollte Euch wegen der Geschichte von neulich hesuchen, Ihr wißt ja. Es hat mir sehr leid getan, aber ich mußte mich doch wehren, wo der andere mich angriff, nicht wahr? – Aber trotzdem war ich mit Françoise einig, und nun könnt bloß Ihr das noch in Ordnung bringen ... Ihr müßtet zu Geierkopf gehen und ihm die Sache darlegen.«
    Der Alte war ernst geworden. Er wackelte mit dem Kinn, schien um eine Antwort verlegen zu sein; da enthob ihn die Rückkehr der Delhommes dieser Mühe. Sie waren nicht überrascht, Jean in ihrem Hause vorzufinden, und begrüßten ihn freundlich wie üblich. Aber mit dem ersten Blick hatte Fanny die Flasche und die zwei Gläser auf dem Tisch gesehen. Sie nahm sie fort und holte ein Wischtuch. Dann sagte sie, die seit achtundvierzig Stunden kein Wort an ihren Vater gerichtet hatte, barsch zu ihm, ohne ihn anzusehen:
    »Vater, Ihr wißt doch genau, daß ich das nicht will.«
    Zitternd, wütend über diese Zurechtweisung vor Fremden, richtete sich Fouan auf.
    »Was denn noch? Steht es mir, Himmelsakrament, denn nicht frei, einem Freund ein Glas anzubieten? – Schließ deinen Wein weg, ich werde Wasser trinken.«
    Darüber wiederum ärgerte sich Fanny fürchterlich, daß man sie so des Geizes bezichtigte. Ganz blaß antwortete sie:
    »Ihr könnt den ganzen Keller austrinken und daran verrecken, wenn's Euch Spaß macht ... Aber ich will nicht, daß Ihr meinen Tisch dreckig macht mit Euren Gläsern, die tröpfeln und Ringe machen wie in der Kneipe.«
    Die Tränen traten Vater Fouan in die Augen. Er hatte das letzte Wort:
    »Etwas weniger Sauberkeit und etwas mehr Herz, das wäre besser, meine Tochter.« Und während sie derb den Tisch abwischte, pflanzte er sich vor dem Fenster auf. Er suchte seine Verzweiflung zu verbergen und schaute in die schwarze Nacht hinaus, die hereingebrochen war.
    Delhomme, der es vermied, Partei zu ergreifen, hatte lediglich durch sein Stillschweigen das feste und vernünftige Auftreten seiner Frau unterstützt. Er wollte Jean nicht aufbrechen lassen, ohne noch einen Schluck mit ihm zu trinken, und zwar aus Gläsern, die Fanny auf Untersetzern hinstellte. Und mit halblauter Stimme entschuldigte sie sich bedächtig:
    »Man macht sich keine Vorstellung von der Plackerei, die man mit alten Leuten hat! Die stecken voller Schrullen, voller schlechter Angewohnheiten, und sie würden lieber verrecken als sich bessern ... Der da ist nicht bösartig, er hat nicht mehr die Kraft dazu. Das hindert nicht, daß ich lieber vier Kühe hüten möchte, als auf einen Alten aufpassen.«
    Jean und Delhomme nickten zustimmend.
    Aber sie wurde unterbrochen; jäh kam Nénesse herein, der wie ein Junge aus der Stadt angezogen war, mit Jackett und Hose von modischem Schnitt – beides fertig bei Lambourdieu gekauft – und dem kleinen harten Filzhut auf dem Kopf. Er hatte einen langen Hals, einen ausrasierten Nacken, blaue Augen, ein weiches und hübsches Gesicht und wiegte sich in der zweideutigen Art einer Dirne in den Hüften. Stets hatte er Abscheu vor der Erde empfunden; am nächsten Tage zog er nach Chartres, um bei einem Gastwirt, der ein Tanzlokal unterhielt, in Stellung zu gehen. Lange Zeit waren die Eltern dagegen, daß er der Landarbeit abtrünnig wurde; aber schließlich hatte die Mutter, die sich geschmeichelt fühlte, den Vater umgestimmt. Und seit dem Morgen machte Nénesse zum Abschied flott mit den Kumpels aus dem Dorfe.
    Einen Augenblick schien er verärgert, hier einen Fremden vorzufinden; dann entschloß er sich zu reden.
    »Hör mal, Mutter, ich will den anderen bei Macqueron ein Abendessen spendieren. Ich brauche Kleingeld.«
    Fanny sah ihn starr an, hatte bereits den Mund aufgemacht, um das abzulehnen. Aber sie war so eitel, daß Jeans Gegenwart sie zurückhielt. Klar, ihr Sohn konnte schon zwanzig Francs ausgeben, ohne sie in Geldverlegenheit zu bringen. Und steif und stumm verschwand sie.
    »Du bist also mit jemand zusammen?« fragte der Vater Nénesse. Er hatte einen Schatten an der Tür bemerkt. Er ging hin und erkannte den Jungen, der draußen geblieben war. »Sieh mal an! Es ist Delphin ... Komm doch rein, alter Freund.«
    Grüßend und sich entschuldigend, wagte sich Delphin herein. Er war in blauer Leinenhose und in blauem Kittel, hatte grobe Arbeitsschuhe an, kein Halstuch um, seine Haut war bereits versengt von der Arbeit in der prallen Sonne.
    »Und du«, fragte Delhomme, der den Jungen sehr schätzte, »ziehst du in den nächsten Tagen

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