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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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daß sein Geld seiner Schwester zugute komme. Jesus Christus hatte niemals einen Sou hergegeben; und auch Delhomme hatte jede Zahlung eingestellt, weil er seinem Schwiegervater ja Kost und Unterkunft gewährte. Aber der Alte litt gar nicht so sehr darunter, daß ihm das Taschengeld fehlte, um so weniger, als er vom Notar Baillehache jährlich hundertfünfzig Francs bezog, im Monat also zwölf Francs fünfzig, die vom Verkauf seines Hauses herrührten. Damit konnte er sich seine kleinen Annehmlichkeiten leisten, seinen Tabak für zwei Sous jeden Morgen, sein Schnäpschen bei Lengaigne und seine Tasse Kaffee bei Macqueron; denn Fanny, die zu sparsam war, nahm nur, wenn jemand krank war, Kaffee und Schnaps aus ihrem Schrank. Und obwohl er genug hatte, um sich außerhalb des Hauses ab und zu etwas zu leisten, und es ihm bei seiner Tochter an nichts fehlte, mißfiel es ihm trotzdem dort, lebte er dort nur in Kummer und Trübsal.
    »Ja, freilich«, fing Jean wieder an, ohne zu wissen, daß er den Finger auf die offene Wunde legte, »wenn man bei anderen ist, hat man's nicht mehr wie bei sich daheim.«
    »Das ist's, genau das ist's!« sagte Fouan mehrmals mit grollender Stimme. Und gleichsam von einem Auflehnungsbedürfnis erfaßt, erhob er sich und erklärte: »Wir wollen einen Schluck trinken ... Ich habe doch wohl das Recht, einem Freunde ein Glas Wein anzubieten.« Aber schon auf der Schwelle überkam ihn wieder Angst. »Tretet Euch gut die Füße ab, Korporal, denn Ihr müßt wissen, sie machen ein schreckliches Gewese mit ihrer Sauberkeit.«
    Linkisch trat Jean ein, brannte darauf, noch vor der Rückkehr der Hausleute sein Herz auszuschütten. Er war überrascht über die gute Ordnung in der Küche: das Kupfergeschirr blinkte, nicht ein Stäubchen trübte den Glanz der Möbel, die Fliesen waren abgenutzt vom vielen Scheuern. Der Raum sah rein und kalt aus, wie unbewohnt. Neben der mit Asche abgedeckten Glut war ein Topf Kohlsuppe vom Vortage warmgestellt.
    »Auf Eure Gesundheit!« sagte der Alte, der aus dem Küchenschrank eine angebrochene Flasche und zwei Gläser geholt hatte. Während er sein Glas austrank, zitterte seine Hand ein wenig aus Furcht vor dem Ärger, den es deshalb wieder geben würde. Er setzte es auf den Tisch zurück wie ein Mann, der alles gewagt hat, und er fügte unvermittelt hinzu: »Wenn ich Euch erzählen würde, daß Fanny seit vorgestern nicht mehr mit mir spricht, weil ich gespuckt habe ... Ha? Spucken? Spuckt nicht jeder Mensch? Klar, ich spucke, wann ich Lust habe ... Nein, nein, da ist es schon besser auszurücken, als so mit sich herumnörgeln lassen!« Und sich noch ein Glas einschenkend, machte er seinem Herzen Luft, war glücklich, einen Vertrauten gefunden zu haben, dem er sein Leid klagen konnte, und er ließ den andern nicht zu Worte kommen. Es waren nur winzige Kümmernisse, der Zorn eines Greises, dessen Fehler man nicht duldete, den man auf zu strenge Art anderen, fremden Gewohnheiten unterwerfen wollte. Aber wirkliche Roheit, schlechte Behandlung hätten ihn nicht empfindlicher treffen können. Eine mit zu lauter Stimme stets wiederholte Beanstandung war für ihn ebenso hart wie eine Ohrfeige; und obendrein legte seine Tochter eine übertriebene Empfindlichkeit an den Tag, jene mißtrauische Eitelkeit einer ehrbaren Bäuerin, die beim geringsten falsch verstandenen Wort gekränkt ist und schmollt, so daß sich die Beziehungen zwischen ihr und ihrem Vater mit jedem Tag schwieriger gestalteten. Sie, die einst bei der Teilung gewiß die beste von allen gewesen war, wurde nörgelig und verfiel dadurch auf richtige Quälereien, war immerfort hinter dem braven Alten her, wischte, fegte, fuhr ihn an wegen dem, was er tat, und wegen dem, was er nicht tat. Nichts Ernstes, und doch eine regelrechte Marter, über die er schließlich allein in den Ecken weinte.
    »Jeder muß einen Pflock zurückstecken«, wiederholte Jean immer wieder bei jeder Klage. »Mit etwas Geduld verträgt man sich immer.«
    Aber Fouan, der eben eine Kerze angezündet hatte, regte sich auf, ging hoch.
    »Nein, nein! Ich hab's satt! Ach, wenn ich gewußt hätte, was mich hier erwartet! Ich hätte besser getan, an dem Tage zu verrecken, an dem ich mein Haus verkaufte ... Aber sie täuschen sich, wenn sie glauben, mich festzuhalten. Lieber möchte ich auf der Landstraße Steine klopfen.«
    Er rang nach Luft, er mußte sich setzen, und der junge Mann machte sich das zunutze, um endlich zu Worte zu kommen.
    »Hört mal,

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