Die Erde
auf, nachher, nach der Messe losen wir aus ... Alsdann, wenn Geierkopf seinen Teil hat, wird er, wie ich hoffe, zusehen, daß er seine Kusine heiratet.«
»Gut!« sagte der Priester. »Das genügt, ich verlasse mich auf Euch, Vater Fouan.« Aber plötzlich voll einsetzendes Glockenläuten schnitt ihm das Wort ab, und er fragte bestürzt: »Es läutet doch zum zweiten Mal, nicht wahr?«
»Nein, Herr Pfarrer, zum dritten Mal.«
»Ach, du meine Güte! Das ist wieder dieser Trottel Bécu, der läutet, ohne auf mich zu warten!«
Er fluchte, er stieg ungestüm den Pfad hinan. Oben hätte er beinahe einen Anfall bekommen, und sein Brustkasten fauchte wie ein Schmiedeblasebalg.
Die Glocke läutete weiter, während die Raben, die sie gestört hatte, krächzend zur Turmspitze flogen, ein Spitztürmchen aus dem fünfzehnten Jahrhundert, das Zeugnis ablegte von der früheren Bedeutung von Rognes. Vor der weit offenen Tür wartete eine Gruppe Bauern, mitten unter ihnen rauchte der Schankwirt Lengaigne, ein Freidenker, seine Pfeife; und weiter weg, dicht an der Mauer des Friedhofs, sprach der Bürgermeister, der Hofbesitzer Hourdequin, ein stattlicher Mann mit energischen Zügen, mit seinem Stellvertreter, dem Krämer Macqueron. Als der Priester grüßend vorübergegangen war, folgten ihm alle bis auf Lengaigne, der all dem ostentativ den Rücken kehrte und seine Pfeife schmauchte.
In der Kirche zog rechts von der Vorhalle ein Mann immer noch am Glockenstrang, an dem er hing.
»Genug, Bécu!« sagte Abbé Godard außer sich. »Ich habe Euch schon zwanzigmal gesagt, daß Ihr auf mich warten sollt, bevor Ihr mit dem dritten Läuten anfangt.«
Verstört, weil er ungehorsam gewesen war, fiel der Feldhüter, der zugleich Glöckner war, auf seine Füße zurück. Er war ein Männlein von fünfzig Jahren mit dem eckigen und gegerbten Schädel eines alten Soldaten, mit grauem Schnurrbart und Kinnbart und steifem, von den zu engen Kragen gleichsam ständig abgewürgtem Hals. Sehr betrunken bereits, verharrte er in HabtAchtStellung, ohne sich eine Entschuldigung herauszunehmen.
Übrigens durchquerte der Priester das Kirchenschiff und warf dabei einen raschen Blick auf die Bänke. Es waren wenige Leute da. Links sah er erst nur Delhomme, der als Gemeinderatsmitglied gekommen war. Rechts, auf der Frauenseite, waren es höchstens ein Dutzend: er erkannte die dürre, sehnige und anmaßende Cœlina Macqueron; Flore Lengaigne, eine beleibte, weinerliche, weichliche und sanfte Frau; die lange, schwarzbraune, sehr schmutzige Bécu. Aber was ihn vollends in Zorn versetzte, war die Haltung der Marienjungfrauen auf der ersten Bank. Françoise saß dort zwischen zwei ihrer Freundinnen, Berthe, Macquerons Tochter, einer hübschen Brünetten, die in Cloyes als feines Fräulein erzogen worden war, und Suzanne, Lengaignes Tochter, einer häßlichen, unverschämten Blondine, die ihre Eltern bald zu einer Schneiderin in Châteaudun in die Lehre stecken würden. Alle drei lachten in ungebührlicher Weise. Und daneben stellte die arme Lise, üppig und rund, mit fröhlicher Miene angesichts des Altars das Ärgernis ihres Bauches zur Schau.
Schließlich betrat Abbé Godard die Sakristei, als er auch schon über Delphin und Nénesse stolperte, die Schubsen spielten, während sie die Meßkännchen zurichteten. Ersterer, der elfjährige Sohn von Bécu, war ein bereits sonnverbranntes und kräftiges munteres Bürschchen, das die Erde liebte und um der Feldarbeit willen die Schule sein ließ, während Erneste, Delhommes Ältester, ein schmächtiger und fauler Blondkopf im gleichen Alter, stets einen Spiegel in seiner Hosentasche hatte.
»Na, ihr Schlingel!« rief der Priester. »Ihr glaubt wohl, ihr seid in einem Stall!« Und zu einem großen hageren Mann gewandt, in dessen bleichem Gesicht ein paar gelbe Bartstoppeln standen und der die Bücher auf dem Brett in einem Schrank aufräumte, sagte er: »Wahrhaftig, Herr Lequeu, Sie könnten dafür sorgen, daß sie sich ruhig verhalten, wenn ich nicht da bin!«
Dies war der Schulmeister, ein Bauernsohn, der mit der Bildung den Haß auf seine Klasse eingesogen hatte. Er ging gewalttätig mit seinen Schülern um, behandelte sie wie Viehzeug und verbarg aufgeklärte Ideen vor dem Pfarrer und dem Bürgermeister unter untadeliger Steifheit. Er sang wohl im Kirchenchor, er nahm sich sogar der heiligen Bücher an, aber er hatte es trotz des Brauches ausdrücklich abgelehnt, die Glocke zu läuten, weil eine solche
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