Die Erde
entwischt war, fand sich in der kahlen Ebene unter einem regnerischen Märzhimmel wieder. Aber er sah nichts, weil er verstört war durch diese Geschichte, deren Grauen sich zu dem Kummer über sein eigenes Unglück gesellte. Er hatte sein Teil Pech weg, der Gedanke an sich selber ließ ihn trotz seines Mitleids mit dem Geschick Hourdequins, seines früheren Herrn, die Schritte beschleunigen. Ihm kam es kaum zu, die Cognette und ihren Galan zu verraten, die Justiz brauchte nur die Augen aufzumachen. Zweimal drehte er sich um, weil er glaubte, man riefe ihn zurück, ganz so, als fühlte er sich mitschuldig. Erst vor den ersten Häusern von Rognes atmete er auf; und er sagte sich nun, daß der Hofbesitzer an seiner Sünde gestorben sei, er dachte an jene große Wahrheit, daß ohne die Weiber die Männer viel glücklicher dran wären. Die Erinnerung an Françoise war ihm wiedergekommen, eine heftige Gemütsbewegung würgte ihn.
Als Jean sich vor dem Dorf sah, fiel ihm wieder ein, daß er zum Gehöft gegangen war, um dort nach Arbeit zu fragen. Sofort machte er sich Sorgen, er überlegte, wo er zu dieser Stunde anklopfen könne, und der Gedanke kam ihm, daß die Charles vor ein paar Tagen einen Gärtner gesucht hatten. Warum sollte er nicht hingehen und sich anbieten? Er gehörte ja immerhin ein wenig zur Familie, vielleicht würde das eine Empfehlung sein. Sofort ging er nach Roseblanche.
Es war ein Uhr, die Charles beendeten eben ihr Mittagessen, als ihn das Dienstmädchen hineinführte. Gerade schenkte Elodie den Kaffee ein, und Herr Charles, der den Gevatter hatte Platz nehmen lassen, wollte, daß er eine Tasse mittrinke. Jean nahm an, obwohl er seit dem Vortage nichts gegessen hatte; ihm war der Magen wie zusammengeschrumpft, das würde ihn ein wenig aufrütteln. Aber als er sich an diesem Tisch bei diesen Bourgeois sah, wagte er nicht mehr, um die Gärtnerstelle zu bitten. Damit er einen Ausweg fand, hatte Frau Charles sogleich angefangen, ihn zu bedauern, den Tod der armen Françoise zu beweinen, und er wurde gerührt. Zweifellos glaubte die Familie, er sei gekommen, um sich von ihr zu verabschieden.
Als dann das Dienstmädchen die Delhommes, den Vater und den Sohn, angemeldet hatte, wurde Jean vergessen.
»Lassen Sie sie hereinkommen und bringen Sie noch zwei Tassen.«
Seit dem Morgen ging es dabei für die Charles um eine wichtige Angelegenheit. Beim Verlassen des Friedhofs hatte Nénesse sie bis Roseblanche begleitet; und während Frau Charles mit Elodie wieder heimging, hatte er Herrn Charles zurückgehalten, er hatte sich rundweg als Käufer von Nr. 19 vorgestellt, falls man sich einige. Seinen Reden nach würde das Haus, das er kannte, zu einem lächerlichen Preis verkauft werden; Vaucogne würde keine fünftausend Francs dafür kriegen, so sehr hatte er es verkommen lassen; alles mußte ausgewechselt werden, das abgenutzte Mobiliar, das geschmacklos ausgesuchte Personal, das so viele Mängel aufzuweisen hatte, daß sogar die Soldaten woanders hingingen. Zwanzig Minuten lang hatte er so das Etablissement im Wert herabgesetzt und dabei seinen Onkel ganz benommen gemacht und ihn verblüfft mit seiner Fachkenntnis, mit seinem Wissen, wie man feilschen mußte, mit den außerordentlichen Gaben, die er da trotz seiner Jugend an den Tag legte. Ach, der Staatskerl! Das war einer mit dem richtigen Blick und dem richtigen Griff! Und Nénesse hatte gesagt, daß er nach dem Mittagessen mit seinem Vater wiederkommen würde, um ernsthaft darüber zu reden.
Als Herr Charles ins Haus ging, besprach er das mit seiner Frau, die sich nun ihrerseits sehr wunderte, so viele Talente bei diesem Jungen vorzufinden. Wenn ihr Schwiegersohn Vaucogne bloß die Hälfte von diesen Fähigkeiten gehabt hätte! Man mußte vorsichtig zu Werke gehen, um nicht reingelegt zu werden von dem jungen Mann. Es ging darum, Elodies Mitgift aus dem völligen Bankrott zu retten. Auf dem Grunde ihrer Furcht jedoch lag eine unbesiegbare Zuneigung, ein Verlangen, die Nr. 19, selbst wenn sie dabei einen Verlust erleiden sollten, in den geschickten und kräftigen Händen eines Herrn zu sehen, der ihr ihren Glanz zurückgab. Deshalb wurden die Delhommes, als sie hereinkamen, von ihnen in einer sehr herzlichen Art begrüßt.
»Ihr trinkt doch Kaffee, nicht wahr? – Elodie, reich den Zucker.«
Jean hatte seinen Stuhl zurückgeschoben, alle saßen rings um den Tisch. Delhomme, der frisch rasiert war und dessen Gesicht hartgesotten und reglos blieb,
Weitere Kostenlose Bücher