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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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außer Fassung. Nun ruhte die Leiche des Hofbesitzers auf einer Matratze im Speisezimmer, während sich Jacqueline mit entstelltem Gesicht und ohne eine Träne in der Küche der Verzweiflung überließ.
    Sobald Jean eingetreten war, redete sie, machte sie mit erstickter Stimme ihrem Herzen Luft:
    »Ich hab es ja immer gesagt, ich wollte, daß man dieses Loch woandershin machte! – Aber wer hat es denn bloß offengelassen? Ich bin sicher, daß es gestern abend zu war, als ich nach oben gegangen bin ... Seit heute früh zerbreche ich mir den Kopf deswegen.«
    »Der Herr ist vor Euch runtergegangen?« fragte Jean, den der Unfall in Bestürzung versetzte.
    »Ja, der Tag graute kaum ... Ich schlief noch. Es war mir, als oh unten eine Stimme riefe. Ich habe wohl geträumt ... Oft stand er so auf, ging immer ohne Licht hinunter, um die Knechte zu überraschen, wenn sie aus dem Bett krochen ... Er wird das Loch nicht gesehen haben, er wird runtergestürzt sein. Aber wer, wer hat denn diese Falltür offengelassen? Ach, das überlebe ich nicht!«
    Jean schob den Verdacht, der ihn leise streifte, sofort beiseite. Sie hatte keinerlei Interesse an diesem Tod, ihre Verzweiflung war ehrlich.
    »Das ist ein großes Unglück«, murmelte er.
    »O ja, ein großes Unglück, ein sehr großes Unglück für mich!« Sie sank auf einen Stuhl, niedergeschlagen, als wären die Mauern rings um sie eingestürzt. Der Herr, den sie endlich zu heiraten gedachte! Der Herr, der geschworen hatte, ihr alles testamentarisch zu vermachen! Und er war gestorben, ohne die Zeit zu haben, irgend etwas zu unterschreiben. Und sie würde nicht einmal ihren Lohn kriegen, der Sohn würde zurückkommen und sie mit Stiefeltritten rausschmeißen, wie er es versprochen hatte. Nichts! Ein bißchen Schmuck und Wäsche, was sie gerade auf der Haut hatte! Ein großes Unheil, ein richtiges Zermalmen!
    Wovon Jacqueline nichts sagte, weil sie nicht mehr daran dachte, war die Entlassung des Schäfers Soulas, die sie am Tage zuvor durchgesetzt hatte. Sie beschuldigte ihn, er sei zu alt, sei der Arbeit nicht mehr gewachsen, weil sie erbost war, daß sie ihn unaufhörlich hinter ihrem Rücken fand, wie er ihr nachspionierte; und obwohl Hourdequin nicht ihrer Meinung war, hatte er nachgegeben, so sehr beugte er sich ihr nun, war gebändigt, gezwungen, ihr glückliche Nächte durch eine sklavenhafte Unterwerfung abzukaufen.
    Soulas, der mit guten Worten und Versprechungen entlassen wurde, sah den Herrn mit seinen blassen Augen starr an. Dann hatte er langsam ausgepackt über das Weibsbild, die Ursache seines Unglücks: die Hure, auf der die Kerle Galopp ritten, Tron nach so vielen anderen, und überhaupt die ganze Geschichte mit dem, und die unverfrorene, schamlose Geilheit, über die alle so gut Bescheid wußten, daß man in der Gegend sagte, der Herr müsse wohl so was lieben, was die Knechte nicht mehr mögen. Vergebens versuchte der bestürzte Hofbesitzer ihn zu unterbrechen, denn ihm lag an seiner Unkenntnis, er wollte nicht mehr wissen, weil ihm davor graute, er könne gezwungen sein, sie davonzujagen: der Alte hatte bis zum Schluß alles schön der Reihe nach ausgepackt, ohne auch nur eines von den vielen Malen auszulassen, die er sie mit Kerlen überrascht, hatte sich das nach und nach von der Seele geredet, hatte sich entleert von seinem langen Groll.
    Jacqueline wußte nichts von dieser Zuträgerei. Hourdequin war querfeldein davongerannt, weil er Furcht hatte, sie zu erdrosseln, wenn er sie wiedersähe; dann hatte er bei der Rückkehr lediglich Tron unter dem Vorwand entlassen, er halte den Hof in einem entsetzlich dreckigen Zustand. Da hatte sie wohl einen Verdacht geschöpft; aber sie hatte sich nicht getraut, den Kuhknecht in Schutz zu nehmen, setzte aber durch, daß er noch diese Nacht da schlafe und rechnete darauf, die Sache am nächsten Tage in Ordnung zu bringen, um ihn dazubehalten. Und das alles blieb undurchsichtig zu dieser Stunde, bei dem Schicksalsschlag, der ihre zehn Jahre emsiger Berechnungen zunichte machte.
    Jean war allein mit ihr in der Küche; plötzlich kam Tron zum Vorschein.
    Sie hatte ihn seit dem Vortage nicht wiedergesehen, die anderen Leute vom Gesinde irrten unbeschäftigt und ängstlich durch das Gehöft. Als sie den Mann aus dem Perche erblickte, diesen großen Dämlack mit der Kinderhaut, stieß sie einen Schrei aus, bloß wegen der verdächtigen Art, in der er hereinkam.
    »Du bist es gewesen, der die Falltür aufgemacht hat!« Jäh

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