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Die Erdfresserin

Die Erdfresserin

Titel: Die Erdfresserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julya Rabinowich
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halbnackte Äste in den Himmel, Nebel steigt aus dem Wasser und verschleiert die dunklen Stämme zu Gespensterschatten.
    An diesem Flussufer habe ich den Golem das letzte Mal gesehen, habe mir eingebildet, seinen gewaltigen Umriss im Nebel erkannt zu haben, mit erhobenem linken Arm, als wollte er mir die Richtung weisen. Seit Tagen folge ich dem Flusslauf, ohne ihm wiederbegegnet zu sein, aber ich weiß, dass er überall wiederauftauchen könnte, aus der feuchten Erde wachsen, aus den Bergflanken hervortreten, er ist nicht weit. Ich blicke noch einmal auf den Fluss. Meine Füße sinken leicht ein in die modernde Schicht Blätter, gelb, braun, gesprenkelt wie die Rücken unserer Hühner, denen meine Mutter jeden Morgen Brotreste ausstreute, bevor sie ihre Nester plünderte.
    Ich stehe auf dem Rücken eines gigantischen Tieres, das aus Zuneigung zu mir stillhält, statt mich ins eiskalte Wasser der Donau zu werfen, die mehrere große Städte miteinander verbindet. Ein weiter Weg bis ins Meer. Ich werde dem Fluss wohl noch einige Tage folgen, ich werde müssen, obwohl ich kein Wasser mag. Es ist unberechenbar, tückisch, es trägt und trägt doch nicht, im Unterschied zur Erde, die immer da ist, auf das Aufsetzen der Sohle auf der Erdoberfläche ist immer Verlass, ich bin noch nie ins Leere getreten, auf meinem ganzen Weg nicht.
    Ab und zu dringen die dunklen Umrisse der Frachtschiffe durch den Nebel und verschwinden wieder mit heulendem Ton, ich frage mich, wie sie es schaffen, einander am Fluss auszuweichen, warum nie Metall auf Metall kreischt und Menschen schreiend fallen, fallen.
    In einigen Ländern des ehemaligen Ostens habe ich Pudel auf den Frachtern gesehen, die geschäftig an Deck auf und ab rannten, fast jedes Schiff hatte einen. Erst vor drei Tagen hatte mir einer der Matrosen erklärt, dass es Vorschrift sei, einen Pudel an Bord zu haben, sie witterten entgegenkommende Schiffe und waren darauf abgerichtet, diese zu melden. Ich mochte die Vorstellung, so wie ich die Vorstellung mochte, dass Bergarbeiter einen kleinen sonnenhellen Vogel mit sich in die Tiefe führten, der ihnen in der Finsternis leuchten sollte, zart und klein und verlässlich in seinem Sterben. Die hatten nur Tiere, dachte ich, ich hatte etwas Besseres, ich hatte den Golem. Der Pudel beschloss, statt entgegenkommender Schiffe lieber mich als Eindringling zu melden, und überschlug sich vor Eifer.
    »Schnauze«, lachte der Matrose und lockte das Tier zu uns her und gab ihm die Reste unserer Mahlzeit, es sah mich misstrauisch an: Ich gehörte nicht dazu, ich roch unpassend.
    »Komm«, sagte ich und dachte an unseren Nachbarshund, der mich zeit seines Lebens liebte und nicht vergaß, und streckte meine Hand aus, auf der ein Stück Salami lag. Er schwänzelte in sicherem Abstand um uns herum. Sein feuchtes Fell hatte die Farbe des Nebels über dem Wasser. Der Blick des Tieres gefiel mir, wach und forschend. Ich warf ihm die Wurst hin, die er sofort schnappte, und sofort verzog er sich hinter ein paar Fässer an Deck, in deren Schatten wir gerade noch gelegen hatten.
    Der Mann stand auf.
    »Bestechlich«, lachte er, »ist ja auch ein Weibchen.«
    »Was macht ihr, wenn die Junge werfen?«, fragte ich.
    »Keine Ahnung. Entweder jemand nimmt die oder sie gehen über Bord.«
    Er streckte sich.
    »In zwei Stunden sind wir da«, sagte er zu mir und wischte die Fettspuren mit dem Ärmel aus seinem Gesicht. »Lass dich nicht erwischen. Gute Reise.«
    »Gute Reise«, sagte ich. Er zwinkerte mir zu und folgte dem Pudel.
    *
    Es ist warm, der Teich im Park spiegelt die Sonne, feine Linien im Wasser, die die großen schwarzen Wasservögel über die ruhige Fläche ziehen. Im ausgetrockneten Gras stehen noch stoffbezogene Liegestühle, aus denen mich ein Wärter gejagt hat, die Benützung kostet Geld und ich habe die paar Münzen, die ich noch besaß, in den metallenen Schlitz eines Telefonapparates geworfen. Nicht alle passten.
    »Hallo?«, sagt meine Schwester, ich bin so abgelenkt, dass ich nicht sofort darauf reagiere, und sie wiederholt es nochmals, mit einem bösartigen Unterton.
    »Der Hallo ist gestorben«, sage ich, wie ich es in Wien gelernt habe, und muss plötzlich lachen.
    »Diana?«, fragt sie ungläubig. »Bist du das? Wieso lachst du?«
    »Ich glaube, ich bin es«, sage ich.
    »Wo bist du?«, schreit sie. »Wir warten doch die ganze Zeit, verdammt nochmal, wir haben Schulden, und er ist noch immer in der Anstalt, und die Ärzte wollen für

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