Die Erfinder Des Todes
seinem Chef einen ratlosen Blick zu. Berrocal hielt ihm den Stadtplan und die Diskette hin und ratterte ein paar rasche, barsche Sätze herunter. Der Beamte warf Fiona ein strahlendes Lächeln zu und ging zur Tür. Offensichtlich war es immer noch besser, ein Laufbursche der Beraterin aus England als in diesem Käfig eingesperrt zu sein. »Y café con leche para dos«, rief Berrocal mit einem boshaften Lächeln dem sich entfernenden Rücken nach.
»Danke«, sagte Fiona und angelte sich den ersten Aktenordner.
Sie musste eine Liste der wesentlichen Faktoren anlegen: Datum des Vorfalls, in welcher Form der Vandalismus vorgekommen war und ein Dutzend weiterer Details. Dann musste sie präzise alle Einzelheiten eingeben. Wo ein Täter bekannt war, musste sie auch alle Informationen einbeziehen, die zu seiner Vorgeschichte und seinen früheren Verbrechen gehörten.
Siebenundvierzig Aktenordner lagen bereit, die sie durchar-beiten musste, und die Tatsache, dass sie in Spanisch waren, verlangsamte alles noch mehr. Es wurde ein langer Tag, der in regelmäßigen Abständen von Kaffee und Snacks unterbrochen wurde. Aber sie arbeitete so konzentriert, dass sie fünf Minuten später nicht mehr hätte sagen können, was sie gerade gegessen hatte.
Endlich lehnte sie sich zurück und wartete, während der Computer die Daten ordnete, um dann die Ergebnisse seiner Berechnungen anzuzeigen. Es überraschte sie nicht, dass die meisten Vorfälle als unverbundene Ereignisse vorkamen. Aber es waren doch drei Gruppen von Berichten darunter, die alle von demselben Täter zu sein schienen. Zuerst eine Serie von Angriffen auf Souvenirläden. In jedem Fall war die Tat zwischen zwei und drei Uhr morgens an Wochentagen verübt worden. Bei den ersten drei war Farbe gegen Fensterscheiben geschüttet worden. Dann war es zu einer Eskalation gekommen: Bei vier weiteren Überfällen wurden die Fenster eingeworfen und die Waren in den Geschäften mit Farbe bespritzt. Diese Delikte waren alle vom stoß der ungelösten Fälle.
Eine zweite Serie bestand aus Graffiti, die an die Außenwände von Restaurants und Hotels geschmiert worden waren. Die Sprüche waren politischen Inhalts: rechtsextreme Parolen über
»Spanien den Spaniern« und zur Ausweisung von Immigranten.
Fiona schloss sofort aus, dass diese Fälle von ihrem Killer stammen könnten.
Eine dritte Gruppe fand sich im stoß der ungelösten Fälle. Innerhalb der letzten vier Monate waren in den frühen Morgenstunden drei Touristen auf dem Rückweg zu ihren Hotels angegriffen worden. Berrocal hatte ihr schon gesagt, dass in Toledo für spanische Verhältnisse die Gehsteige abends relativ früh hochgeklappt wurden, denn die meisten Cafés und Restaurants schlossen um elf. Aber es gab ein paar Bars, die bis spät in die Nacht geöffnet waren, und alle Opfer hatten eine solche Bar besucht. Sie waren allein auf dem Rückweg zu ihren Hotels, als ein maskierter Mann aus einer Gasse herausgestürzt kam und sie angriff. Kein Geld wurde verlangt, es war lediglich ein brutaler Überfall, der wenige Minuten dauerte und bei dem der Angreifer schwieg und dann ins Labyrinth der schmalen Gassen davonrannte.
Fiona seufzte voll tiefer Befriedigung. Wenn computergestützte Verknüpfung von Verbrechen funktionierte, war es wie ein kleines Wunder, das sich vor ihr entfaltete. Jetzt konnte sie die Orte, wo die zwei relevanten Gruppen von Ereignissen stattgefunden hatten, in ihr Programm für kriminalgeografisches Profiling eingeben und sehen, was sich daraus entwickelte.
Kit sah Fiona, wie sie von San Tomas den Hügel heraufkam. Er bewunderte ihren ruhigen Gang und den sanften Schwung ihrer Hüften, der vom Schnitt ihrer Hose betont wurde. Ich habe wirklich ein Mordsglück, gratulierte er sich selbst und genoss noch einmal kurz die Erinnerung an ihren gemeinsamen wohligen Morgen im Bett. Obwohl sie ihn manchmal mit ihrem endlosen Bedürfnis verrückt machte, alles und jeden, der ihr in die Quere kam, zu analysieren und zu zergliedern, hatte er noch nie eine Frau getroffen, gegen die er sie eingetauscht hätte. Eine der Eigenschaften, die er an ihr liebte, war ihr Engagement für ihre Arbeit. Aber auch wenn sie von einem Fall ganz in Anspruch genommen war, blieb ihr immer im Bewusstsein, wie wichtig ihre Beziehung war.
Heute Morgen zum Beispiel. Sie hätte leicht behaupten können, sie sei »unabkömmlich« und müsse sofort zum Polizeirevier gehen. Aber sie hatte ihm versichert, es liege noch nichts vor, dem
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