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Die Erfindung des Lebens: Roman

Die Erfindung des Lebens: Roman

Titel: Die Erfindung des Lebens: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns-Josef Ortheil
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stattdessen vor allem das, was sie noch nicht konnten oder irgendwie ungeschickt machten, Ursula sitzt immer so schief da , sagte dann zum Beispiel eine Mutter über ihr Kind, worauf die anderen Mütter Ursula genauer anschauten und behaupteten, das sei übertrieben, Ursula sitze genauso schief da wie Konrad und überhaupt säßen alle Kinder etwas schief.
     
    Für mein Leben gern hätte ich einmal gehört, was ich selbst besonders gut konnte und was nicht, es kam aber niemals vor, dass die anderen Mütter über mich sprachen, sie taten einfach, als wäre ich nicht vorhanden. Ab und zu aber passierte es dann doch einmal, dass irgendein Spielzeug in meine Nähe geriet, ein Ball kullerte versehentlich zu mir hin, oder eine Papierschwalbe segelte direkt gegen meine Brust, dann schauten die anderen Mütter mich alle zugleich an und hörten von einem Moment zum nächsten auf zu sprechen.
    Ich hasste diesen vollkommen stillen Moment, denn ich spürte mich mitten im Zentrum aller Blicke, nichts war schlimmer als das, mir wurde heiß, und die Hitze schoss mir in den Kopf, als wäre mir nicht nur ein kleiner Ball oder eine Papierschwalbe zu nahe gekommen, sondern ein explosives, gefährliches Ding, das ich sofort wieder beiseiteschaffen musste.
    Ich hätte die unangenehme Situation leicht dadurch beenden können, dass ich den Ball oder die Papierschwalbe einfach zurückgeworfen hätte, das aber tat ich nicht, ich nahm vielmehr den Ball oder die Papierschwalbe in die Hand und trug alles langsam zu den anderen Kindern zurück, um den Gegenstand dann genau jenem Kind zu übergeben, dem der Ball oder die Papierschwalbe gehörte.
    Während ich aber die paar Meter aus meinem Reich hinüber ins Reich der anderen Kinder zurücklegte, war es weiter so still, dass ich immer unsicherer wurde. Ich wusste, dass mich alle beobachteten, die Blicke waren ja beinahe zu spüren, trotzdem gelang es mir dann aber doch jedes Mal, den Hin- und Rückweg ohne jedes Stolpern oder ein anderes Missgeschick zurückzulegen. Kaum aber machte ich mich auf den Rückweg, begannen die anderen Mütter wieder zu sprechen, meist sagte eine von ihnen in mitleidigem Ton Der hat es wirklich nicht leicht oder Der arme Kerl , was mich immer empörte, denn niemand sollte behaupten, dass ich es nicht leicht habe oder dass ich ein armer Kerl sei. Ein armer Kerl war ein Kerl, der schwer krank und dem nicht mehr zu helfen war, manche Männer in der Kappes- Wirtschaft waren arme Kerle, weil ihnen ein Arm oder ein Bein fehlte, mir aber fehlte im Grunde nichts Schlimmes, sondern nur die Sprache, und deshalb war ich eben kein armer Kerl, sondern nur ein stummer Junge.
    Wenn ich solche mitleidigen Bemerkungen der anderen Mütter zu hören bekam, stiegen mir manchmal die Tränen hoch, und ich musste zwanghaft nach Luft schnappen, was aber meist nicht gelang, weil ich ja schließlich die Lippen gegen die sich ankündigenden Tränen fest zusammenpressen und dennoch tief einatmen musste. Meist führte das alles zu einem starken Husten oder Niesen, was nun wiederum einen Anlass bot, dass die anderen Mütter erneut über mich sprachen, oft sagten sie dann nicht mehr Der arme Kerl , sondern Man muss Gott danken, dass man ein gesundes Kind hat.
    Wenn ich diesen schlimmen Satz hörte, und dieser Satz gehörte zu den schlimmsten, die ich immer wieder zu hören bekam, hielt ich es nicht mehr aus, sondern ging hinüber in die Laube, zur Mutter. Ich setzte mich neben sie und rührte mich nicht mehr, niemand hätte mich jetzt noch dazu bringen können, auf dem Kinderspielplatz zu spielen. Meist bemerkte Mutter auch sofort, was mit mir los war, und dann packten wir unsere Sachen zusammen und schlichen davon wie zwei Geschlagene.
     
    All diese unschönen Vorgänge hätten dazu führen können, dass Mutter und ich den Kinderspielplatz nicht mehr betreten hätten, dazu aber kam es nicht, ich machte ohne jede Gegenwehr weiter mit, zum einen deshalb, weil meine Mutter einen solchen Aufenthalt anscheinend von mir verlangte, zum anderen aber, weil ich auf dem Kinderspielplatz doch wenigstens etwas von dem anderen, fremden Leben erfuhr, zu dem ich sonst keinerlei Zugang hatte.
    Hätte ich nur einen richtigen Freund gehabt! Ich sehnte mich gar nicht danach, viele Freunde zu haben, nein, ich sehnte mich nach einem einzigen, richtigen, guten Freund. Mit seiner Hilfe wollte ich die fremde Welt kennenlernen, denn ein guter Freund stand einem immer bei und redete niemals schlecht über einen.
    Unter den

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