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Die Erfindung des Lebens: Roman

Die Erfindung des Lebens: Roman

Titel: Die Erfindung des Lebens: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns-Josef Ortheil
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wunderbare Linsensuppen mit sehr feinen, kleinen Linsen, klein geschnittenem Gemüse und etwas Speck, es gab Tomaten-, Kartoffel-, Gemüse- und Zwiebelsuppen, und immer wurden sie mit einer selbst gemachten, ebenfalls über viele Stunden gekochten Brühe angesetzt, so dass sie einen kräftigen, intensiven Geschmack hatten.
    Kochten Gemüse, Kartoffeln oder Tomaten sowie die Brühe vor sich hin, konnten Mutter und ich am späten Morgen entweder zum Einkaufen aufbrechen oder hinunter auf den Kinderspielplatz gehen. Wenn wir nach zwei oder mehr Stunden zurückkamen, durchströmten die ganze Wohnung Wolken eines schweren, kompakten Geruchs, es war, als träte man in eine warme Höhle mit den üppigsten Aromen, mit Aromen von Gemüse, Kräutern und etwas Fleisch, die so köstlich und verführerisch dufteten, dass man sich am liebsten noch im Stehen über die beiden Kochtöpfe hergemacht hätte.
     
    Bis es aber so weit war, hatten wir Zeit, auf den Kinderspielplatz zu gehen, und dieser für mich sehr unangenehme Gang war so etwas wie ein Tribut an die Gemeinschaft um uns herum. Der ganze Zweck dieses Unternehmens nämlich bestand darin, den anderen zu zeigen, dass wir uns mit ihnen zumindest ein wenig verbunden fühlten und doch zu ihnen gehörten. Merkwürdig war nur, dass wir diese Gemeinschaft während unserer Aufenthalte dann keineswegs suchten.
    Wir brachen auf, als wollten wir zu den vielen anderen Kindern und ihren Müttern hinuntergehen, in Wirklichkeit aber ließen wir uns am Rand des Platzes nieder, weit im Abseits, als wollten wir doch für uns bleiben. Meine Mutter setzte sich nämlich meist in eine kleine Laube, die nur als Unterstand bei schlechtem Wetter dienen sollte. Im Sommer war sie von Efeu und wild wachsenden Rosen beinahe zugewuchert, aber auch sonst ähnelte sie eher einem Versteck, in dem sich Mutter an einen kleinen, runden Tisch setzte, auf dem sie ihre Bücher und die anderen mitgebrachten Utensilien ausbreiten konnte. Selbst bei schönstem Sonnenschein setzte sie sich in diese Laube, es war, als brauchte und suchte sie diesen Schutz und als wäre es ganz und gar unmöglich, dass sie sich auf eine ungeschützte, frei stehende Bank setzte.
    Dieser Rückzug führte dazu, dass auch ich mich nicht auf die anderen Kinder zu bewegte, sondern allein spielte, die anderen Kinder hatten sich daran längst gewöhnt und beachteten mich nicht mehr, als käme ich für das gemeinsame Spielen sowieso nicht in Frage.
    Die Folge dieser Nichtbeachtung war, dass ich nur ein paar Minuten vor mich hin spielte, dann aber resigniert aufgab, es machte schließlich nicht das geringste Vergnügen, allein im Sand zu sitzen und mit einigen Förmchen zu spielen, die sonst niemand in die Hand nahm. Mit der Zeit führte meine Lustlosigkeit zu einer immer stärker werdenden Erstarrung, ich saß regungslos oder wie festgefroren auf dem Boden und beschäftigte mich schließlich nur noch damit, genau zuzuhören, was die anderen Mütter miteinander besprachen und wie sie ihre Kinder anredeten.
    Dabei erschien es mir sehr merkwürdig, wie oft das geschah, im Grunde sprachen die anderen Mütter nämlich ununterbrochen mit ihren Kindern und sagten ihnen laufend, was sie nicht und was sie anders tun sollten. Gehorchten die Kinder nicht sofort, standen sie meist auf und fassten die Kinder an und drehten und wendeten sie hin und her, bis sie zumindest teilweise gehorchten und genau das machten, was die Mütter von ihnen verlangt hatten.
    Am wichtigsten schien es zu sein, sich nicht schmutzig zu machen, die Kinder sollten zwar im Sand spielen, auf keinen Fall aber den Sand an die Kleidung bekommen, immer wieder sagte eine Mutter, dass sie nun wieder alles waschen müsse, obwohl sie doch gerade erst alles gewaschen habe, und dass dieses ewige Waschen eine Qual sei und sie noch zur Raserei bringe.
    Oft ging es auch um die Frage, ob eines der Kinder bereits etwas beherrschte, was die anderen Kinder noch nicht beherrschten, denn immerzu betrachteten die Mütter nicht nur ihre eigenen, sondern auch die anderen Kinder, stellten Vergleiche an und brachten ihre Beobachtungen in bestimmte Rangordnungen. Der Konrad kann schon freihändig schaukeln , sagte zum Beispiel eine Mutter, die nicht die Mutter Konrads, sondern die Mutter eines anderen Kindes war, denn die Mütter hoben niemals hervor, was ihre eigenen Kinder bereits konnten, sondern nur das, was die anderen besser konnten als ihre eigenen.
    An den eigenen beobachteten die Mütter

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