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Die Erfindung des Lebens: Roman

Die Erfindung des Lebens: Roman

Titel: Die Erfindung des Lebens: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns-Josef Ortheil
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auf den schwarzen Klavierhocker, schraubte ihn ein wenig höher und schlug ein paar Akkorde an.
    Die Wirkung war unglaublich, denn der Klang der Akkorde füllte sofort den ganzen Platz. Es war, als würde allen Handlungen auf ihm Einhalt geboten und als erklängen Signale, die das bevorstehende Konzert ankündigten. Wahrhaftig hatte ich auch gleich das Gefühl, dass es stiller wurde, ja, ich glaubte, dass die Menschen ringsum verharrten und nach der Herkunft der Klänge Ausschau hielten.
    Ich spielte aber kein Stück, natürlich nicht, ich testete nur die Wirkung des Klangs, dann verließ ich das Podium und ging wieder hinauf in meine Wohnung.
     
    Dort aber befiel mich eine solche Aufregung, dass ich mich nicht richtig beschäftigen konnte. Ich schaute hinunter auf den großen Platz und betrachtete lange das inzwischen entstandene Bild: Die Bühne, der Flügel, die Sitzreihen – alles wirkte auf mich wie eine alte Szene aus meinem früheren römischen Leben. Noch viel seltsamer aber kam es mir vor, dass ich mit der Erzählung meines Lebens nun an jenem Punkt angekommen war, den ich mir als vorläufiges Ende vorgenommen hatte. Gerade jetzt, gerade zu dem Zeitpunkt, da Marietta ihr Konzert geben wollte, schrieb ich am Schlussstück meiner Lebensgeschichte und damit davon, wie aus einem jungen Pianisten ein junger Schriftsteller geworden war …
     
    Ich hielt es in meiner Wohnung nicht aus und klingelte bei Antonia. Sie war aber noch nicht zu Hause, und auch Marietta war nirgends zu sehen. Ich verließ das Haus und unterhielt mich draußen noch eine Weile mit dem Wirt des Il Cantinone , der am Abend das Büfett bereitstellen würde.
    Dann ging ich hinüber zum Tiber, spazierte eine Weile an ihm entlang und bog Richtung Corso ab, um im Conservatorio noch etwas zu proben. Ich hatte den Direktor in der letzten Zeit immer wieder gesehen, er lief mir jetzt häufiger über den Weg, aber ich hatte mit ihm noch keine Verabredung wegen eines Konzertes getroffen. Wollte ich so etwas wirklich? Konnte ich auf solche Eitelkeiten nicht endlich verzichten?
     
    Ich setzte mich in einen Überaum und spielte die beiden Stücke, die mir seit Wochen wieder verstärkt durch den Kopf gingen. Es handelte sich um meine Lieblingsnummer, Schumanns große Fantasie in C-Dur , danach aber war das Rausschmeißer- und Kraftstück dran, ich meine den dritten Satz der siebten Sonate von Sergej Prokofieff.
    Als ich den Überaum rasch verließ, stand der Direktor zusammen mit einem Kollegen in der Nähe der Tür. Haben Sie sich noch nicht entschieden?, fragte er, und ich verneinte. – Sie sollten uns bald die Freude machen, sagte er weiter, bei dieser Perfektion brauchen Sie doch nicht weiter zu proben. Ich dankte ihm und sagte, dass ich ihm in der kommenden Woche Bescheid geben werde, dann verließ ich das Conservatorio und ging zu Fuß nach Hause zurück …
     
    Aus dem jungen Pianisten war also ein junger Schriftsteller geworden. Und wie genau war das geschehen? Im Grunde war es die Folge eines jener starken Momente, von denen ich schon mehrmals erzählte. Er ereignete sich unerwartet und plötzlich, als ich mit Walter Fornemann im Kappes stand und mit meinem früheren Lehrer Kölsch trank. Wenn ich ehrlich bin, mag ich dieses Gesöff überhaupt nicht, hatte er anfangs gesagt, und dann doch ein Glas nach dem andern mit mir getrunken.
     
    Wir hatten uns die Stunden zuvor aus dem Leib geredet, ich hatte mich bei ihm entschuldigt, dann hatte er sich bei mir entschuldigt, wir waren in eine lockere, gute Stimmung geraten, als habe es zwischen uns nie irgendwelche Meinungsverschiedenheiten gegeben.
    Irgendwann hatte er mich noch einmal auf die Kladden und ihren Inhalt angesprochen, und ich hatte begonnen, ihm von dem Projekt zu erzählen: Dass ich seit meinen Kindertagen solche Kladden mit mir herumtrug, dass ich alles aufzeichnete, was mir an neuen Worten und Sätzen begegnete, dass ich Wortlisten anlegte, Aufgeschnapptes festhielt, und dass dies alles geschah, weil ich noch immer glaubte, ohne dieses Notieren nicht existieren zu können.
     
    Fornemann war einer der wenigen Menschen, die meine Kindheitsgeschichte kannten, meine Mutter hatte einmal andeutungsweise mit ihm darüber gesprochen. Jetzt, als ich ihm von meinen Kladden erzählte, brachte er das alles mit den Beobachtungen in Verbindung, die er früher an mir gemacht hatte.
    Wir stießen zum soundsovielten Male mit unseren schmalen Gläsern an, als er sagte: Im Grunde warst Du nicht nur

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