Die Erfuellung
mich neben Sie.«
»Tun Sie, was er sagt, er ist schon egoistisch genug«, riet Mrs Batley.
»Wie kannst du so von deinem Stiefbruder reden, Maggie?«, protestierte MacNally. »Wenn ich das wäre, stünde ich heute besser da.« Trotz des scherzhaften Tons klang die Stimme des alten Mannes traurig.
»Setz dich wieder hin und hör auf, dich selbst zu bemitleiden«, gab Mrs Batley unbeeindruckt zurück.
»Schon gut, Maggie.« Jetzt lachte auch er wieder.
Mrs Batley richtete neben dem Kamin einen Rahmen her, auf den ein halbfertiger Läufer gespannt war, holte eine Tragetasche aus einem Schrank unter der Treppe und ließ sie auf Shanes Knie fallen. »Mach dich nützlich, dann kommst du nicht auf dumme Gedanken«, meinte sie. »Mir sind die Stoffstreifen ausgegangen.«
»Ich helf dir, Großmama. Ich wickle die Knäuel auf.« Der Junge, der auf dem Teppich gesessen und gelesen hatte, rappelte sich auf und ließ sich nicht direkt neben dem Alten, sondern zu Lindas Füßen nieder. Diese Position war so ungünstig, dass er sich immer wieder auf den Ellbogen stützen und über sie hinweg nach den Stoffstreifen greifen musste, die Shane zurechtschnitt.
»Ich habe das Feuer in Ihrem Zimmer angezündet«, sagte er, ohne sie anzusehen, während er den Stoff methodisch zu einem Knäuel rollte.
»Das war nett von dir. Ich habe mich sehr darüber gefreut.« Linda lächelte freundlich auf seinen gebeugten Kopf hinunter.
Eine kurze Stille folgte, die nur durch das Geräusch des Weberschiffchens unterbrochen wurde, das Mrs Batley durch den Rupfen führte. Als der Junge erneut sprach, war seine Stimme kaum lauter als ein Flüstern. »Das Zimmer hat meiner Mami gehört.«
»Michael, hör damit auf und lies weiter«, befahl Mrs Batley.
»Ja, Großmama.« Der Junge ließ den Kopf hängen, krabbelte widerstrebend zu dem Läufer zurück und legte sich auf den Bauch. Aber das Buch blieb unberührt. Stattdessen stützte er den Ellbogen auf den Teppich, legte das Kinn in seine Hand und starrte ins Feuer.
Linda sah ihn nachdenklich an. Sie war also im Zimmer seiner Mutter untergebracht. Aber wo war seine Mutter? In diesem Augenblick betrat Ralph Batley den Raum und lenkte sie ab. Er war in Hemdsärmeln und trug Hausschuhe, und der Feuerschein warf ein warmes Licht auf seine Züge. Wäre sein Gesicht nicht so starr und ausdruckslos gewesen, er hätte als attraktiv, ja geradezu gut aussehend gelten können. Aber bis auf den Furcht einflößenden Blick, den er ihr im Kuhstall zugeworfen hatte, waren seine Augen in kalter Zurückhaltung erstarrt.
Bevor er sich in dem ledernen Ohrensessel an der Wand neben dem Kamin niederließ, warf er einen Blick auf den Jungen, sah dann seine Mutter an und tippte sich gegen die Wange.
Obwohl sie den Jungen beobachtet hatte, war Linda nicht aufgefallen, dass er weinte, weil er den Kopf nicht bewegt hatte. Aber Ralph Batley kannte offenbar die Anzeichen.
Nun nickte Mrs Batley Shane kurz zu. Der Alte warf seinerseits einen Blick auf den Jungen, hüstelte und richtete sich bedächtig auf. »Sind Sie viel gereist?«, meinte er beiläufig zu Linda.
Linda schüttelte den Kopf. »Leider nicht. Ich war zweimal in Frankreich und einmal in Italien, aber, wie gesagt, normalerweise habe ich meine Ferien auf der Farm verbracht.«
»Das ist aber schade. Ich selbst bin auf der ganzen Welt herumgekommen und war schon fast alles: Cowboy, Pirat und Sheriff. Jawohl, sogar Sheriff. Einmal hätte ich beinahe einen Mann gehängt, aber das hätte mich um ein Haar selbst das Leben gekostet. Der Bursche ist nämlich entkommen, und hätte ich nicht das schnellste Pferd in ganz Mexiko gehabt, säße ich heute nicht hier und würde euch diese Geschichte erzählen.«
Obwohl der alte Mann Linda zunickte und ihr ins Gesicht blickte, schien er sie gar nicht wahrzunehmen. Offenbar merkte er auch nicht, dass sich der Junge umdrehte und nach Linda umsah. Dennoch war sie davon überzeugt, dass seine Geschichte nur für den Kleinen bestimmt war. Doch bald lauschte sie gebannt seinen Worten, obwohl sie nicht recht wusste, was sie davon halten sollte. Manche seiner Heldentaten klangen allzu fantastisch, aber ein Körnchen Wahrheit steckte bestimmt darin. Mrs Batley schien sich entspannt zu haben und konzentrierte sich ganz auf ihre Webarbeit, während sich Ralph Batley in seinen Sessel zurückgelehnt hatte und rauchte. Er starrte mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck in die Flammen: nicht nur, dass er meilenweit entfernt zu sein
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