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Die Ernte

Die Ernte

Titel: Die Ernte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
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davonlaufen wollen?
    Sein Ausweg war nicht das Bier, so wie bei vielen, die in die Moose Lodge gingen, obwohl der Gedanke daran seinen Reiz hatte. Er musste nur an einem Freitagabend die traurigen Augen dieser Mittvierziger sehen, um daran erinnert zu werden, wie schnell man alles verlieren konnte. Ihre letzten guten Jahre rannen ihnen durch die Leber, der Alkohol benebelte ihre Sinne und trübte ihr Augenlicht. Manchmal wusste er nicht, warum er überhaupt in die Lodge ging. Wahrscheinlich, weil man eine Krawatte brauchte, um in den Lion´s Club hinein zu kommen.
    Die meisten seiner Freunde gingen in die Lodge. Billy Ray Silas, zum Beispiel. Zwanzig Jahre lang waren sie zusammen jagen und fischen gegangen und einmal alle sechs Monate packten sie ihre Sachen zusammen und machten sich auf den Weg zum Blackstone Mountain, wo sie eine Woche lang auf dem Gipfel ihr Zelt aufschlugen. Ok, sie hatten auch drei Tage in einem Bordell in Titusville verbracht, bevor sie überhaupt ihre Sachen aus dem Auto geladen hatten.  Aber Sylvester hatte immer etwas von seinen Ausflügen mitgebracht, zum Beispiel eine große Regenbogenforelle oder einen Zehnender und einmal sogar einen Schwarzbären.
    Und wenn er mit vom Wind aufgesprungenen Lippen zurückkam, dann war Peggy immer zuckersüß zu ihm und sie kamen mindestens ein paar Wochen ohne größere Streitereien aus. Außerdem ließ sie ihn dann mindestens jede zweite Nacht ran. Was aber mit Jimmy Morris, seinem loyalen Kumpanen in der Lodge, abging, während er weg war, das hatte er erst später herausgefunden.
    Offensichtlich war es Jimmy, der sein Bett warm hielt, während er weg war und seine Frau schon zuritt, bevor die Abgase seines Autos in der Auffahrt verraucht waren. Und Peggy musste sich schuldig gefühlt haben, weil sie nach seinen Jagdausflügen immer besonders kreativ im Bett war. Oder vielleicht hatte ja Jimmy ihr ein paar neue Stellungen gezeigt.
    Zur Hölle mit den beiden.
    Sylvester fühlte, dass ihm sein Gewehr im Arm ein Trost war. Ein Mann brauchte eigentlich nur ein gutes Gewehr mit einem langen, blauen Lauf und einem abgegriffenen Kolben aus Holz. Und einen schönen dichten Wald. Der wurde allerdings immer schwerer zu finden, weil all die einheimischen Familien begonnen hatten, ihr Land Stück für Stück zu verkaufen. Sogar sein Vater hatte Teile von den alten Mull-Ländereien verscherbelt. Das alte Gehöft war vergammelt und falls Sylvester ein paar Felder erben würde, dann würde es Jahre dauern, um diese wieder fruchtbar zu machen.
    Außerdem würde Chester nicht so schnell sterben. Es musste das verdammte Mondlicht sein, das den alten Bastard am Leben hielt. Er machte noch keine Anstalten, in absehbarer Zeit abzukratzen. Chester krümmte am Hof keinen Finger, aber er war noch immer rüstig genug, um zum Save-a-Ton Laden zu fahren und seinen Pickup mit Fertiggerichten und Kautabak voll zu laden.
    Als Sylvester ihn vor ein paar Wochen das letzte Mal besucht hatte, als der Schnee so weit geschmolzen war, dass man die Straße zu seinem Haus befahren konnte, lag der alte Mann zufrieden unter einer warmen Decke, den Hund zu seinen Füßen und eine Flasche Fusel in der Hand. Chester war so glücklich wie die Maus im Haferstroh.
    Das Geräusch eines brechenden Astes riss Sylvester aus seinen Gedanken. Seine Sinne waren plötzlich geschärft, so als ob er seine Ohren ausgefahren hätte und diese wie ein Radargerät eines feindlichen Agenten in alle Richtungen drehen würde. Laub raschelte links von ihm, zirka hundert Meter entfernt, gerade über einer Bergkuppe.
    Muss ein gewaltig großer Hurensohn sein, dem Lärm nach zu urteilen.
    Sylvester schaute vorsichtig auf ein paar dicht verwachsene wilde Lorbeersträucher. Rotwild konnte da nicht durchkommen, da die Zweige zu dicht verwachsen waren. Und oben an der Kuppe war der Abstieg zu steil. Nicht einmal eine Berggämse würde auf diese Granitwand, die wie graue Klauen aus der Erde herausragte, klettern können. Besonders jetzt nicht, weil der Lehmboden unter den Blättern vom Regen noch aufgeweicht war.
    Es musste also um das Lorbeergesträuch herumkommen und würde auf der unteren Seite auftauchen, auf die Sylvester freie Sicht hatte.  In seinen Gedanken wurde das Tier zu einem Feind, genauso wie die Japsen oder die Rothäute in einem Western mit John Wayne. Es wollte sicher am Leben bleiben, aber Sylvester gelüstete es nach dem Fleisch. Er würde das Tier an Ort und Stelle ausweiden und das Fleisch in schöne

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