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Die Ernte

Die Ernte

Titel: Die Ernte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
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stattdessen seine Hände sprechen lassen sollen und vielleicht…
    Robert spürte, wie sein Puls beschleunigte. Aber dann hörte er Bettys sprödes Lachen aus dem hinteren Ende des Gebäudes und seine Erregung krachte im Sturzflug auf den Boden, wie die Hindenburg, allerdings ohne die abschließende Explosion.
    Zum x-ten Mal verfluchte er sich für diesen einen schwachen Moment, sein einziger schwarzer Punkt auf seinem ehelichen Führungszeugnis. Es war vor drei Monaten auf der Weihnachtsfeier des Radiosenders passiert. Tamara war mit den Abschlussexamen ihrer Abendklasse beschäftigt und konnte nicht zur Feier kommen. Robert musste also das Fest alleine ertragen und mit Leuten herumalbern, die er sowieso schon zu oft in der Arbeit sah. Sie standen um das Buffet herum und versuchten bei Roastbeef und Whiskey eine ordentliche Unterhaltung zu führen, aber mehr als Smalltalk und Fachsimpelei kamen nicht zustande.
    Nachdem Melvin und seine grauhaarige Frau gegangen waren, brachte Jack Ashley, der Mann für das Frühprogramm, ein paar Flaschen Wild Turkey Whiskey, die er unter dem Fahrersitz seines Pickups versteckt hatte. Schon bald kreisten die Flaschen ausgiebig in der Runde. Seitdem er verheiratet war, war Robert dem Alkohol weniger zugetan, aber er dachte, dass ein paar Schlucke ihn davor bewahren würden, vor Langeweile zu sterben. Er wollte eigentlich nur so viel trinken, um sich ein bisschen aufzuwärmen, denn er wusste, was passieren würde, wenn er so richtig in Fahrt käme.
    Aus angeheitert wurde ein bisschen mehr und bald merkte er, dass seine Zunge immer schwerer wurde. Trink gerade genug, damit du die Muschelsauce heraufkotzen kannst, sagte er sich, dann hör auf.
    Aber die Muschelsauce blieb unten, genauso wie ein guter halber Liter hochprozentiger Whiskey. Je glasiger dann seine Augen wurden, desto schöner wurde Betty Turnbill. Wenn Robert seine Augen ein bisschen zusammenkniff, dann sah sie fast aus wie die junge Reba McIntire, wenn auch ein bisschen heruntergekommener.
    Und die Wölbungen unter ihrem rosa Wollpullover begannen wie Brüste auszusehen und es sah sogar aus, als ob sich unter ihrem aufgemalten Lächeln ein echtes verbergen könnte. Als die meisten Kollegen bereits gegangen waren, drückte sie ihn in eine Ecke und er fühlte ihren Atem, der nach Whiskey und Käse aus der Sprühdose roch, auf seinem Hals und ihre Hände überall auf seinem erhitzten Körper.  Und das Nächste, an das er sich erinnern konnte, war, dass sie wie Teenager heftig auf dem Rücksitz seines Autos bumsten.
    Und nicht nur einmal, wenn er sich richtig erinnern konnte. Aber sicher war er sich nicht.
    Um drei Uhr in der Früh machte er sich auf den Heimweg. Seine Zunge lag wie ein alter Socken in seinem Mund und seine Kleidung stank wie ein französisches Bordell. Tamara lag schon im Bett und schnarchte leise. Er warf einen verstohlenen Blick in das Kinderzimmer. Kevin schlief fest unter ein paar Sternen, die an die Zimmerdecke geklebt waren und im Dunkel leuchteten, während Ginger in einem Haufen von Teddybären, Erdferkel und Fröschen aus Stoff schlief. Das Bewusstsein, einen Fehler gemacht zu haben, schnitt wie eine Sense durch den Alkoholdunst, der ihn noch immer benebelte.
    Er schlüpfte ins Bad und duschte sich ausgiebig, um den animalischen Duft von Betty abzuwaschen. Während er sich einseifte, konnte er sich fast schon überreden, dass diese Sache nie passiert war. Aber als er auf das verräterische Stück Fleisch blickte, das zwischen seinen Beinen baumelte, dann wusste er, dass er etwas unwiederbringlich verloren hatte.
    Und jetzt flirtete Betty immer wieder mit ihm, hänselte ihn wegen dieser Nacht und drohte ihm manchmal im Scherz, dass sie es Tamara sagen würde. Er hatte sich selbst versprochen, dass das nie mehr passieren würde und bis jetzt war er seinem Versprechen treu geblieben. Aber manchmal fragte er sich, ob das Teufelchen, das wohl in ihm schlummerte, wieder einmal zum Vorschein kommen würde.
    Vielleicht war ja alles Tamaras Schuld. Wenn sie ihn nicht ständig mit ihrer inneren Stimme zur Weißglut getrieben hätte und ein bisschen mehr Verständnis für ihn gezeigt hätte…
    Genau. Ihre Schuld. Damit komm ich zurecht.
    Er ging zurück ins Studio und blies den Rauch von seinem letzten Lungenzug in den Gang. Über die Monitorlautsprecher hörte er, wie Dennis kurz vor der Pause einen skurrilen Beitrag über die Raupen des Bärenspinners, die angeblich das Wetter vorhersagen können, brachte.

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