Die Eroberung von Plassans - 4
über Herrn Fenil, den Generalvikar, der im Bistum alles macht, was er will … Sie war gefesselt, die Alte; sie wäre da auf der Straße bis zum nächsten Morgen geblieben.« Mouret machte eine verzweifelte Handbewegung.
»In alledem sehe ich«, rief er, »daß du ganz alleine geredet hast … Aber sie, sie, was hat sie gesagt?«
»Warten Sie doch, lassen Sie mich ausreden«, fuhr Rose seelenruhig fort. »Ich habe mein Ziel erreicht … Um sie dazu zu bringen, daß sie sich mir anvertraut, habe ich zu ihr schließlich von uns gesprochen. Ich habe gesagt, daß Sie Herr François Mouret seien, ein früherer Geschäftsmann aus Marseille, der es in fünfzehn Jahren verstanden habe, im Wein, Öl und Mandelhandel ein Vermögen zu erwerben. Ich habe hinzugefügt, Sie hätten es vorgezogen, Ihre Jahreszinsen in Plassans zu verzehren, einer ruhigen Stadt, in der die Eltern Ihrer Frau wohnen. Ich habe sogar ein Mittel gefunden, ihr beizubringen, daß Ihre Frau Ihre Cousine ist, daß Sie vierzig Jahre alt sind und Ihre Frau siebenunddreißig ist; daß Sie eine sehr gute Ehe führen; daß man Sie im übrigen nicht oft auf dem Cours Sauvaire trifft. Kurzum, Ihre ganze Geschichte … Sie hat sich sehr interessiert gezeigt. Sie antwortete, ohne sich zu beeilen, immer: ›Ja, ja‹. Wenn ich anhielt, nickte sie so mit dem Kopf, um mir zu sagen, daß sie höre, daß ich weiterreden könne … Und bis die Nacht hereinbrach, haben wir uns so, mit dem Rücken an der Hauswand, wie gute Freundinnen unterhalten.«
Von Zorn erfaßt, war Mouret aufgestanden.
»Wie!« schrie er. »Das ist alles! – Sie hat Sie eine Stunde lang schwatzen lassen, und sie hat Ihnen nichts gesagt!«
»Sie hat, als es dunkel geworden war, zu mir gesagt: ›Die Luft wird kühl.‹ Und sie hat ihren Eimer genommen und ist wieder hinaufgegangen …«
»Hören Sie, Sie sind ein Schaf! Diese Alte da würde zehn von Ihrer Sorte verkaufen. Na ja! Die können nun lachen, wo sie über uns alles wissen, was sie wissen wollten … Verstehen Sie, Rose, Sie sind ein Schaf!«
Die alte Köchin war nicht gerade langmütig; sie begann ungestüm umherzulaufen, stieß die Pfannen und Töpfe durcheinander, drehte die Wischlappen zusammen und warf sie hin.
»Wissen Sie, Herr Mouret«, stammelte sie, »wenn Sie in meine Küche gekommen sind, um mir Grobheiten zu sagen, war es nicht der Mühe wert. Da können Sie wieder gehen … Was ich getan habe, habe ich einzig und allein getan, um Sie zufriedenzustellen. Würde Ihre Frau uns hier zusammen finden und sehen, was wir machen, würde sie mit mir schimpfen; und sie hätte recht, denn das ist nicht gut … Schließlich konnte ich ihr die Worte nicht von den Lippen reißen, dieser Dame. Ich habe die Sache angepackt, wie sie jedermann anpackt. Ich habe geredet, ich habe Ihre Angelegenheiten erzählt. Da ist Ihnen eben nicht zu helfen, wenn die Dame ihre Angelegenheiten nicht erzählt hat. Fragen Sie sie doch danach, wenn Ihnen das so am Herzen liegt. Vielleicht sind Sie nicht so dumm wie ich, Herr Mouret …« Sie hatte die Stimme erhoben.
Mouret hielt es für klug, sich davonzustehlen, wobei er die Küchentür wieder zumachte, damit seine Frau nichts hörte. Aber Rose riß die Tür hinter seinem Rücken wieder auf und rief ihm in den Hausflur nach:
»Daß Sie˜s wissen, ich kümmere mich um nichts mehr; Sie können Ihre schmutzigen Aufträge geben, wem Sie wollen.«
Mouret war geschlagen. Er blieb über seine Niederlage verbittert. Aus Groll gefiel er sich darin zu sagen, diese Leute aus dem zweiten Stock seien sehr unbedeutende Leute. Nach und nach verbreitete er unter seinen Bekannten eine Meinung, die die Meinung der ganzen Stadt wurde. Abbé Faujas wurde als ein mittelloser Priester ohne jeden Ehrgeiz angesehen, der gänzlich außerhalb der Ränke der Diözese stehe; man glaubte, er schäme sich seiner Armut, weil er die schlechtesten Arbeiten an der Kathedrale annahm, sich so tief wie möglich in den Schatten drückte, wo er sich wohl zu fühlen schien. Eine einzige Neugier blieb, nämlich die, zu erfahren, warum er von Besançon nach Plassans gekommen war. Heikle Geschichten waren im Umlauf. Aber die Vermutungen erschienen gewagt. Mouret selbst, der seinen Mietern zum Zeitvertreib nachspioniert hatte, ganz so, als wenn er Karten oder Billard gespielt hätte, begann zu vergessen, daß er einen Priester bei sich beherbergte, als ein Ereignis sein Leben von neuem mit Beschlag belegte.
Als er eines Nachmittags nach Hause
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