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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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hinten am Garten entlangführte. »Sehen Sie diesen kleinen, zwischen zwei Mauern eingefaßten Weg? Das ist die ChevilottesSackgasse, die an einem Einfahrtstor zum Gelände der Unterpräfektur endet. Alle anliegenden Grundstücke haben eine kleine Ausgangspforte zur Sackgasse, und es herrscht dort unaufhörlich ein geheimnisvolles Kommen und Gehen … Ich, der ich Kinder habe, habe meine Pforte mit zwei guten Nageln versperrt.« Er zwinkerte mit den Augen und sah den Abbé an, wobei er vielleicht hoffte, daß dieser ihn frage, was das für ein geheimnisvolles Kommen und Gehen sei. Aber der Abbé sagte nichts; er musterte die ChevilottesSackgasse ohne mehr Neugier, er lenkte seine Blicke friedfertig wieder zu Mourets Garten zurück.
    Unten am Rande der Terrasse säumte Marthe an ihrem gewohnten Platz Servietten. Als sie die Stimmen hörte, hatte sie zuerst kurz aufgeblickt; dann hatte sie sich, erstaunt darüber, ihren Gatten in Gesellschaft des Priesters an einem Fenster des zweiten Stocks zu sehen, wieder an die Arbeit gemacht. Sie schien nicht mehr zu wissen, daß die beiden da waren.
    Mouret hatte aus einer Art unbewußter Prahlerei heraus, glücklich darüber, zu zeigen, daß er soeben endlich in diese hartnäckig verschlossene Wohnung eingedrungen war, die Stimme erhoben. Und der Priester ließ mitunter seine ruhigen Augen auf Marthe verweilen, auf dieser Frau, von der er nur den gesenkten Nacken mit der schwarzen Masse des Haarknotens sah.
    Schweigen trat ein. Abbé Faujas schien noch immer nicht geneigt zu sein, vom Fenster wegzugehen. Er schien nun die Gartenbeete des Nachbarn eingehend zu betrachten. Herrn Rastoils Garten war nach englischer Art angelegt, mit kleinen Alleen, kleinen Rasenflächen, die von kleinen Blumenbeeten unterbrochen waren. Im Hintergrund war eine Baumrotunde, in der sich ein Tisch und Gartenstühle befanden.
    »Herr Rastoil ist sehr reich«, begann Mouret wieder, der der Blickrichtung des Abbé gefolgt war. »Sein Garten kostet ihn was; der Wasserfall, den Sie zwar nicht sehen können dort hinter den Bäumen, ist ihm auf mehr als dreihundert Francs zu stehen gekommen. Und kein Gemüse, nichts als Blumen. Eine Zeit hatten die Damen sogar davon gesprochen, die Obstbäume fällen zu lassen; das wäre ein wahrer Mord gewesen, denn die Birnbäume sind prächtig. Ach was! Er hat recht, seinen Garten nach seinem Belieben einzurichten. Wenn man die Mittel dazu hat!« Und da der Abbé immer noch schwieg, fuhr er fort und drehte sich dabei zu ihm um: »Sie kennen Herrn Rastoil, nicht wahr? Jeden Morgen geht er von acht bis neun Uhr unter seinen Bäumen spazieren. Ein dicker Mann, ein bißchen untersetzt, kahl, ohne Bart, mit kugelrundem Kopf. Ich glaube, er hat in den ersten Augusttagen die Sechzig erreicht. Seit nahezu zwanzig Jahren ist er nun Präsident unseres Zivilgerichts. Es heißt, er sei gutmütig. Ich verkehre nicht mit ihm. Guten Tag, guten Abend, und das ist alles.« Er hielt inne, als er sah, daß mehrere Personen die Freitreppe des Nachbarhauses hinuntergingen und sich zu der Baumrotunde hinwandten. »Ach ja«, sagte er und senkte die Stimme, »heute ist Dienstag … Man gibt ein Essen bei Rastoils.«
    Der Abbé hatte eine leichte Bewegung nicht unterdrücken können. Er hatte sich vorgebeugt, um besser zu sehen. Zwei Priester, die neben zwei erwachsenen Mädchen gingen, schienen ihn besonders zu interessieren.
    »Wissen Sie, wer diese Herren sind?« fragte Mouret. Und auf eine unbestimmte Handbewegung Faujas˜ fuhr er fort: »Sie überquerten die Rue Balande in dem Augenblick, als wir uns getroffen haben … Der Große, der Junge, der, der zwischen den beiden Fräulein Rastoil geht, ist Abbé Surin, der Sekretär unseres Bischofs. Ein sehr liebenswürdiger Bursche, wie es heißt. Im Sommer sehe ich ihn mit diesen Fräulein Federball spielen … Der Alte, den Sie ein bißchen dahinter erblicken, ist einer unserer Generalvikare, Herr Abbé Fenil. Er leitet das Seminar. Ein schrecklicher Mann, flach und spitz wie ein Säbel. Ich bedauere, daß er sich nicht umdreht; Sie würden seine Augen sehen … Es überrascht mich, daß Sie diese Herren nicht kennen.«
    »Ich gehe wenig aus«, antwortete der Abbé, »ich verkehre mit niemanden in der Stadt.«
    »Und das ist nicht recht von Ihnen! Sie müssen sich oft langweilen … Oh! Herr Abbé, man muß Ihnen Gerechtigkeit widerfahren lassen: Sie sind nicht neugierig. Wie! Seit einem Monat sind Sie hier, und Sie wissen nicht einmal, daß Herr

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