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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Rastoil jeden Dienstag ein Essen gibt! Aber das springt einem an diesem Fenster doch in die Augen!« Mouret lachte leicht auf. Er machte sich über den Abbé lustig. Dann fuhr er in vertraulichem Ton fort: »Sehen Sie den großen alten Herrn, der Madame Rastoil begleitet? Ja, den Mageren, den Mann mit dem breitkrempigen Hut. Das ist Herr de Bourdeu, der frühere Präfekt des Departements Drôme, ein Präfekt, den die Revolution von 18488 aus dem Sattel gehoben hat. Noch einer, den Sie nicht kennen, wette ich … Und Herr Maffre, der Friedensrichter? Dieser ganz weiße Herr mit den großen vorstehenden Augen, der mit Herrn Rastoil als letzter kommt. Zum Teufel! Bei dem da gibt es für Sie keine Entschuldigung. Er ist Ehrendomherr von Saint Saturnin … Unter uns, man beschuldigt ihn, seine Frau mit seiner Härte und seinem Geiz ins Grab gebracht zu haben.« Er hielt inne, sah dem Abbé ins Gesicht und sagte mit spöttischer Barschheit zu ihm: »Ich bitte Sie um Entschuldigung, Herr Abbé, aber ich bin nicht fromm.«
    Der Abbé machte abermals eine unbestimmte Handbewegung, die alles beantwortete und ihn enthob, sich deutlicher zu erklären.
    »Nein, ich bin nicht fromm«, wiederholte Mouret spöttisch. »Man muß jedermann gewähren lassen, nicht wahr? – Bei den Rastoils beachtet man die Kirchengebote. Sie müssen die Mutter und ihre Töchter in SaintSaturnin gesehen haben. Sie sind Ihre Pfarrkinder … Diese armen Fräulein! Die Ältere, Angéline, ist gut sechsundzwanzig Jahre alt; die andere, Aurélie, wird vierundzwanzig. Und dabei nicht schön, ganz gelb, mit mürrischem Aussehen. Das schlimmste ist, daß man die Ältere zuerst verheiraten muß. Sie werden schließlich jemanden finden, wegen der Mitgift … Was die Mutter anbelangt, diese kleine üppige Frau, die anmutig wie ein Hammel einherschreitet, so hat sie dem armen Rastoil tüchtig zu schaffen gemacht.« Er zwinkerte mit dem linken Auge, ein Tick, der ihm zur Gewohnheit geworden war, wenn er einen etwas gewagten Scherz zum besten gab.
    Der Abbé hatte die Augen niedergeschlagen und wartete auf die Fortsetzung; als der andere dann schwieg, öffnete er sie wieder und sah zu, wie sich die Gesellschaft nebenan unter den Bäumen rings um den runden Tisch niederließ. Mouret nahm seine Erklärungen wieder auf:
    »Sie werden dort bis zum Abendessen bleiben, um die kühle Luft zu genießen. Es ist jeden Dienstag dasselbe … Dieser Abbé Surin hat viel Erfolg. Da, er lacht schallend mit Mademoiselle Aurélie … Ah! Der Generalvikar hat uns bemerkt. He? Was für Augen! Er liebt mich nicht gerade, weil ich mit einem seiner Verwandten Streit gehabt habe … Aber wo ist denn Abbé Bourrette? Wir haben ihn nicht gesehen, nicht wahr? Das ist sehr seltsam. Er fehlt an keinem Dienstag bei Herrn Rastoil. Er muß sich nicht wohl fühlen … Sie kennen ihn. Und was für ein ehrenwerter Mann! Das Roß des lieben Gottes.«
    Aber Abbé Faujas hörte nicht mehr zu. Seine Blicke kreuzten sich fortwährend mit denen des Abbé Fenils. Er wandte den Kopf nicht ab, er hielt der Prüfung des Generalvikars mit vollendeter Kälte stand. Er hatte sich fester auf die Fensterbrüstung gestützt, und seine Augen schienen größer geworden zu sein.
    »Da ist die Jugend«, fuhr Mouret fort, als er drei junge Leute ankommen sah. »Der Älteste ist Rastoils Sohn; er ist gerade als Rechtsanwalt zugelassen worden. Die zwei anderen sind die Kinder des Friedensrichters, die noch auf das Gymnasium gehen … Nanu, warum sind denn meine zwei Schlingel noch nicht nach Hause gekommen?«
    Gerade in diesem Augenblick erschienen Octave und Serge auf der Terrasse. Sie lehnten sich an das Geländer und neckten Désirée, die sich eben zu ihrer Mutter gesetzt hatte. Als die Kinder ihren Vater im zweiten Stock sahen, senkten sie die Stimme und scherzten mit unterdrücktem Gelächter.
    »Meine ganze kleine Familie«, murmelte Mouret selbstgefällig. »Wir, wir bleiben bei uns; wir empfangen keine Gäste. Unser Garten ist ein verschlossenes Paradies, wo es der Teufel gerne bleiben läßt, uns in Versuchung zu führen.« Er lachte, während er dies sagte, weil er sich im Grunde weiterhin auf Kosten des Abbé lustig machte.
    Dieser hatte den Blick langsam auf die Gruppe zurückgelenkt, die die Familie seines Hauswirtes genau unter dem Fenster bildete. Er verweilte dabei einen Augenblick, betrachtete den alten Garten mit den von hohem Buchsbaum umgebenen viereckigen Gemüsebeeten; dann besah er noch Herrn

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