Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
Vom Netzwerk:
Rastoils anspruchsvolle Gartenwege und ging, als wolle er einen Plan der Örtlichkeiten aufnehmen, zum Garten der Unterpräfektur über. Dort gab es nur eine große Rasenfläche in der Mitte, einen weichgewellten Grasteppich; immergrüne Sträucher bildeten dichte Büsche; hohe, dichtbelaubte Kastanienbäume verwandelten dieses zwischen den benachbarten Häusern eingepferchte Stückchen Erde in einen Park.
    Abbé Faujas schaute indessen nachdrücklich unter die Kastanienbäume. Er entschloß sich zu murmeln:
    »Das ist sehr hübsch, diese Gärten … Auch in dem zur Linken sind viele Leute.« Mouret blickte auf.
    »Wie jeden Nachmittag«, sagte er gelassen. »Das sind die engsten Freunde von Herrn Péqueur des Saulaies, von unserem Unterpräfekten … Im Sommer kommen auch sie abends zusammen rings um das Wasserbecken, das Sie da links nicht sehen können … Ah! Herr de Condamin ist zurück. Dieser schöne Greis mit dem guterhaltenen Äußeren und der kräftigen Gesichtsfarbe; das ist unser Oberforstmeister, ein fideler Kerl, den man stets zu Pferde trifft, mit Handschuhen und enganliegenden Hosen. Und dabei ein Lügner! Er ist nicht aus der Gegend; vor kurzem hat er eine ganz junge Frau geheiratet … Kurzum, das ist glücklicherweise nicht meine Sache.« Er senkte wieder den Kopf, als er hörte, wie Désirée, die mit Serge spielte, ihr Kleinmädchenlachen lachte.
    Aber der Abbé, dessen Gesicht ein wenig Farbe bekam, brachte ihn mit einem Wort zurück:
    »Ist das der Unterpräfekt?« fragte er. »Der dicke Herr mit der weißen Krawatte?«
    Diese Frage belustigte Mouret außerordentlich.
    »O nein!« antwortete er lachend. »Man sieht wohl, daß Sie Herrn Péqueur des Saulaies nicht kennen. Er ist keine vierzig Jahre alt. Er ist groß, ein hübscher Bursche, sehr vornehm … Dieser dicke Herr ist Doktor Porquier, der Arzt, der die bessere Gesellschaft von Plassans behandelt. Ein glücklicher Mann, versichere ich Ihnen. Er hat nur einen Kummer, seinen Sohn Guillaume … Jetzt sehen Sie die beiden Leute, die auf der Bank sitzen und uns den Rücken zukehren. Das ist Herr Paloque, der Richter, und seine Frau. Das häßlichste Ehepaar der ganzen Gegend. Man weiß nicht, wer scheußlicher ist, die Frau oder der Mann. Zum Glück haben sie keine Kinder.« Und Mouret begann lauter zu lachen. Er geriet in Hitze, ereiferte sich und schlug mit der Hand auf die Fensterbrüstung. »Nein«, begann er wieder und wies mit je einer Kopfbewegung auf den Garten der Rastoils und den Garten der Unterpräfektur, »ich kann diese beiden Gesellschaften nicht ansehen, ohne daß mich das vergnügt macht … Sie befassen sich nicht mit Politik, Herr Abbé, sonst würde ich Sie schon zum Lachen bringen … Stellen Sie sich vor, daß ich, zu Recht oder Unrecht, als ein Republikaner gelte. Ich komme wegen meiner Geschäfte viel durch das Land; ich bin ein Freund der Bauern; man hat sogar davon gesprochen, mich für den Generalrat9 zu nominieren; kurzum, mein Name ist bekannt … Nun ja! Ich habe hier rechts bei den Rastoils die Blute der Legitimität10 und dort links beim Unterpräfekten die großen Tiere des Kaiserreichs. Na! Ist das drollig genug? Mein armer alter Garten, der so ruhig ist, mein kleines Fleckchen Glück zwischen diesen beiden feindlichen Lagern. Ich habe immer Angst, daß sie sich über meine Mauern hinweg mit Steinen bewerfen … Sie verstehen, ihre Steine könnten in meinen Garten fallen.« Dieser Scherz entzückte Mouret vollends. Er rückte näher an den Abbé heran und sah dabei aus wie eine Klatschbase, die lang und breit was erzählen will.
    »Plassans ist vom politischen Gesichtspunkt aus sehr merkwürdig. Der Staatsstreich11 ist hier geglückt, weil die Stadt konservativ ist. Vor allem aber ist sie legitimistisch und orléanistisch12, und zwar so sehr, daß sie vom ersten Tag des Kaiserreiches an Vorschriften machen wollte. Da man nicht auf sie gehört hat, ist sie böse geworden und zur Opposition übergegangen. Ja, Herr Abbé, zur Opposition. Letztes Jahr haben wir Marquis de Lagrifoul13 als Abgeordneten aufgestellt, einen alten Edelmann mit mittelmäßigem Verstand, dessen Wahl die Unterpräfektur aber hübsch verdrossen hat … Und schauen Sie, da ist er, Herr Péqueur des Saulaies, er ist mit dem Bürgermeister, mit Herrn Delangre, zusammen.«
    Der Abbé blickte rasch hinüber. Der Unterpräfekt, der sehr brünett war, lächelte unter seinem gewichsten Schnurrbart; er war von untadeliger Korrektheit; sein

Weitere Kostenlose Bücher