Die erregte Republik
erst Horst Seehofer als bayerischen Ministerpräsidenten beerben müsse oder gleich Angela Merkel nachfolgen könne. Dabei kannten noch drei Jahre zuvor nur Eingeweihte den CSU-Bundestagsabgeord neten und transatlantischen Sicherheitspolitiker. Getragen von einer Welle der populären Verehrung machte Guttenberg seinen |199| Weg im politischen Establishment in atemberaubendem Tempo. Dabei wirkte sein Aufstieg so, als ob er eigentlich hinabstiege, von seinem schönen Schloss in die Niederungen der Tagespolitik. In den Augen vieler Leute war Guttenberg einer, der es gar nicht nötig hatte, sich mit Politik abzugeben, und sich dennoch auf sie einließ. Als Adliger wurde er so zum Shootingstar und Identitätsanker des politikfrustrierten Bürgertums. Seine Herkunft und sein privates Vermögen – der Besitz der Familie Guttenberg wird auf über 400 Millionen Euro geschätzt – ermöglichten dem fränkischem Freiherrn dabei eine Pose der Unabhängigkeit, so als ob derjenige, der Politik als Beruf nicht nötig hat, von ihr auch nicht vereinnahmt und verdorben werden kann. Dieser Gestus ermöglichte es ihm, innerhalb des Regelkorsetts der Politik eine vollkommen regelkonforme Blitzkarriere zu machen und gleichzeitig den Eindruck zu erwecken, die Regeln der Politik würden für ihn nicht gelten. Anders zu sein war seine Hauptbotschaft, aus seiner Geringschätzung des politischen Normalbetriebs hat Guttenberg nie einen Hehl gemacht. Dabei scheute er auch nicht davor zurück, andere zu diskreditieren. Am Ende einer Veranstaltung mit Soldaten stellte der Verteidigungsminister fest, nun dürfe man Fragen stellen. Und sollte nicht jeder zum Zuge kommen, solle man ihm die offenen Fragen schicken. »Und zwar nicht etwa über den Dienstweg, dann erreicht es mich in einem halben Jahr, sondern direkt an mich und mein Büro.« 178 Damit machte er zwar die ganze Bundeswehr schlecht, die offenbar so schlampig arbeitet, dass Post sechs Monate bis zum Minister braucht, doch er selbst sah so ziemlich gut aus. Dabei hätte er auf der Hardthöhe auch einfach die Anweisung erteilen können, dass persönlich an den Minister adressierte Eingaben direkt ans Ministerbüro gehen. Die Profilierung als der Andere auf Kosten der Anderen war Guttenbergs Erfolgsprinzip. So |200| setzte er sich bewusst von der Kaste der Berufspolitiker ab, ließ diese langweilig und spießig erscheinen und sonnte sich in dem Licht, das vor dem so gemalten Hintergrund umso heller auf ihn strahlte.
Guttenbergs Umgang mit dem tradierten Politikbetrieb hatte etwas Hasardeurhaftes: Er nutzte seine herausgehobene Popularität zu immer neuen Regelbrüchen. Etwa, als er mit dem Talkmaster Johannes B. Kerner nach Afghanistan flog, um dort eine Sendung aufzuzeichnen, die man ebenso gut in Deutschland hätte einspielen können. Die Bundeswehr zahlte hierfür sogar einen Zuschuss von 17 000 Euro an die Produktionsfirma. Allen anderen Politikern wäre dies als sinnlose Verschleuderung von Steuergeld angekreidet worden, doch Guttenberg kam damit nicht nur durch, sondern erhielt obendrein Beifall vom Boulevard, dem die ganze Chose wieder herrliche Bilder von Prominenten im exotischen Setting Afghanistan beschert hatte. Inhaltlich war die
Kerner -Show
übrigens dilettantisch, die Redakteure kamen mit den militärischen Dienstgraden gründlich durcheinander und promovierten z.B. einfache Patrouillenführerinnen zu ranghohen Offizieren mit strategischer Verantwortung. Insofern war die Talkshow im Wüstensand typisch für Guttenbergs Politikstil, der sich dadurch auszeichnete, Politik nicht notwendig gründlich zu machen, sondern nur sorgfältig zu inszenieren. Wäre es Guttenberg in seiner Zeit als Verteidigungsminister wirklich um die Bundeswehrreform gegangen, dann hätte er diese ernsthaft vorbereiten und sich Verbündete in den eigenen Reihen und auch in der Opposition suchen müssen. Stattdessen wählte Guttenberg die Rolle des unerbittlichen Solitärs und spielte auf Sieg oder Untergang. Unterm Strich bediente er damit ein Politikverständnis im Sinne Carl Schmitts. Mit seinem manichäischen »alles oder nichts« betrieb er das Gegenteil von Politik, weil er |201| suggerierte, dass nur der entschlossene Schlag gegen den Gegner zum Erfolg führe, wo er doch eigentlich Verbündete über die Lagergrenzen hinweg gebraucht hätte.
Diese Haltung spiegelte sich auch in seiner Rhetorik wider. Schon ganz zu Anfang seiner Ministerzeit galt Guttenberg als der große Klartextredner, der
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