Die Erscheinung
Château beistehen, zumindest ihr Geist. Er küsste Francescas Wange. Innerhalb weniger Tage hatte sie sich verändert. Vorsichtig, verwundbar und ängstlich war sie immer noch. Doch nicht mehr zornig, verbittert und mutlos. Ebenso wenig wie Charlie. »Um sieben hole ich Sie ab«, versprach er.
Wieder in seinem Haus, nahm er Sarahs letztes Tagebuch aus der Truhe. François hatte schon lange nicht mehr für die Army gekämpft. Aber seine Frau erwähnte die ständigen Kämpfe im Westen zwischen den Siedlern, die immer weiter vordrangen, und den Shawnee und Miami. Unaufhaltsam spitzte sich die Lage zu.
Im Sommer 1793, ein Jahr nach Françoises Geburt, war in dem Schlafzimmer, das Charlie jetzt bewohnte, wieder ein kleines Mädchen zur Welt gekommen und Marie-Ange genannt worden, weil Sarah verkündet hatte, es würde wie ein Engel aussehen.
Glücklich und zufrieden lebte sie mit ihrer Familie in ihrem prächtigen Heim. Seit einer halben Ewigkeit war Fran-çois nicht mehr zur Army geritten. Stattdessen hatte er das Château eifrig verschönert. In ihrem Tagebuch beschrieb Sarah die architektonischen Einzelheiten, und Charlie beschloss, sie alle gründlich zu inspizieren. Sicher würden die meisten noch existieren.
Sie berichtete auch, im selben Jahr sei Colonel Stockbridge gestorben, von allen, die ihn gekannt hätten, schmerzlich betrauert. Sein Nachfolger war viel ehrgeiziger und mit General Wayne befreundet, dem neuen Oberbefehlshaber der Western Army. Schon seit einem Jahr drillte der neue Garnisonskommandant die Truppen, die gegen Little Turtle vorgehen sollten. Nach General St. Clairs vernichtender Niederlage, die ihn zum unehrenhaften Rücktritt gezwungen hatte, war nichts Entscheidendes geschehen.
Mit ihrer Familie beschäftigt, hatte Sarah nur mehr selten Zeit gefunden, ihr Tagebuch zu führen.
Im Herbst 1793 erwähnte sie voller Sorge, ein Freund ihres Mannes, der Irokese Big Tree - Großer Baum - habe wieder einmal versucht, mit den Shawnee zu verhandeln, und sei abgewiesen worden. Dabei ging es um ein äußerst kompliziertes Problem. Im Unabhängigkeitskrieg hatten sich die Shawnee mit den Briten verbündet. Nach deren Niederlage meinte die American Army, die Shawnee sollten mitsamt den Engländern aus Ohio verschwinden und das Land den Siedlern überlassen. Doch dagegen hatten sich die Indianer entschieden gewehrt, und jetzt verlangten sie fünfzigtausend Dollar für das Gebiet, außerdem eine jährliche Zahlung von zehntausend.
An dieses Ansinnen verschwendete General Wayne keinen einzigen Gedanken. Im Winter bildete er seine Truppen weiterhin im Fort Washington und in den Forts Recovery und Greenville auf dem Boden Ohios aus. Davon konnte ihn nichts abhalten. Im Übrigen vertraten alle Offiziere seinen Standpunkt. Blue Jacket und Little Turtle, die beiden stolzesten Krieger, mussten endlich besiegt werden.
Im Mai 1794 munkelte man von einem Feldzug, den General Wayne organisieren sollte. Dazu kam es nicht, und Sarah atmete erleichtert auf. Sie freute sich auf einen friedlichen Sommer und zog François auf, nun sei er kein Soldat oder indianischer Krieger, sondern ein »alter Farmer«. Ihrem Tagebuch vertraute sie an, mit dreiundvierzig würde er nach wie vor wundervoll aussehen. Und glücklicherweise würde er sein Leben nicht mehr bei der Army riskieren. In diesem Sommer wollten sie die Irokesen besuchen, mit allen drei Kindern, da sie ausnahmsweise nicht schwanger war -die erste Erholungspause seit dem Beginn ihrer heißen Leidenschaft.
So viel ihr die Kinder auch bedeuteten - ihre große Liebe war François, und sie wollte mit ihm alt werden. Manchmal sorgte sie sich, weil er etwas rastlos wirkte. Aber für einen Mann von seinem Charakter war das wohl normal, und meistens schien er das Familienleben in vollen Zügen zu genießen.
Als Charlie eine Eintragung von Anfang Juli las, fiel ihm Sarahs zittrige Handschrift auf. Am 30. Juni hatten die Indianer, angeführt von Blue Jacket und Tecumseh, in Ohio eine Tragtierkolonne und deren Eskorte von hundertvierzig Soldaten überfallen. Wenig später griffen die Ottawa das Fort Recovery an, und der neue Kommandant der Deerfield-Garnison schickte François eine Nachricht. Innerhalb eines Monats würden fast viertausend Mann von der regulären Army und der Kentucky-Miliz zum Fort Recovery reiten und das Problem lösen. Nicht einmal François hatte je zuvor von einem so riesigen Heer gehört. Wie vorauszusehen, wurde er dringend gebraucht. Da er die
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