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Die Erscheinung

Titel: Die Erscheinung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Steel
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Licht der Taschenlampe, die er mitgenommen hatte, schaute er sich um. Da standen dieselben Truhen und Kartons wie bei seiner ersten Inspektion. An einer Wand lehnte ein alter Spiegel, und am anderen Ende entdeckte er etwas, das ihm zuvor nicht aufgefallen war - eine antike handgeschnitzte Wiege. Behutsam strich er darüber. Hatte sie Gladys oder Sarah gehört? Jedenfalls verströmte sie eine traurige Aura, das Gefühl einer Leere, das ihn bedrückte. Ob Jimmy oder Sarahs Baby darin gelegen hatte - nun waren beide längst tot. Entschlossen verdrängte er die bittersüßen Emotionen und richtete den Strahl der Taschenlampe in alle Winkel, um festzustellen, ob sich kleine pelzige Geschöpfe irgendwo Nester gebaut hatten. Nichts dergleichen.
    Langsam kehrte er zur Leiter zurück. Da fiel sein Blick auf einen kleinen Alkoven unter einem der runden Fenster, und darin stand eine Truhe, die er zum ersten Mal sah. Kein Wunder, denn der staubige Lederdeckel schien mit der Wand zu verschmelzen. Seltsamerweise war die Truhe verschlossen. Charlie fand keine Initialen, keinen Namen, kein Wappen. Während er an dem Schloss herumhantierte, blätterte ein Teil des rissigen Leders ab. Nur der Deckel war morsch -die Truhe nicht. Er hob sie hoch und gewann den Eindruck, sie wäre mit Steinen gefüllt. Zum Glück war sie so klein, dass er sie auf die Schulter hieven konnte.
    Vorsichtig tastete sein Fuß nach der ersten Leitersprosse, dann ließ er die Truhe fallen. Mit dumpfem Aufprall landete sie unter im Flur. Charlie klappte die Falltür herab, stieg hinunter und trug die Truhe in die Küche. In der Abstellkammer fand er ein paar Werkzeuge und begann das Schloss zu bearbeiten. Dabei fühlte er sich etwas unbehaglich. Vielleicht hatte Gladys Palmer irgendwelche Schätze oder persönliche Dinge unter diesem Lederdeckel versteckt, vielleicht Papiere, die niemand sehen durfte.
    Sollte er sie anrufen? Diesen Gedanken verwarf er sofort wieder, weil seine Faszination, die einem hypnotischen Zwang glich, das Gewissen besiegte. Verbissen kämpfte er mit dem Schloss, das plötzlich aufsprang und zu Boden fiel. Nun sah er die zerkratzten Messingnägel, die darin steckten. Vermutlich war die Truhe genauso alt wie das Château. Von einer seltsamen Erregung erfasst, berührte er den Deckel. Was würde er darunter finden? Geld, Juwelen, Dokumente, Landkarten, einen bleichen Totenschädel - ein grausiges oder wundervolles Andenken an ein anderes Jahrhundert?
    Während er den Deckel hob, glaubte er ein Rascheln neben sich zu hören und lachte in der Stille der alten Küche. Natürlich bildete er sich das nur ein. Und dann betrachtete er verblüfft den Inhalt der Truhe - kleine, in Leder gebundene Bücher mit seidenen Lesezeichen. Über ein Dutzend. Und alle sahen gleich aus. Vielleicht war das Leder früher rot gewesen. Jetzt schimmerte es in mattem, verblichenem Braun. Und keines wies einen Titel auf.
    Verwundert öffnete er eines der Bücher, und beim Anblick der ersten Seite stockte sein Atem. Eine elegante, klare Handschrift in der linken oberen Ecke. Schon vor über zweihundert Jahren war die Tinte getrocknet. »Sarah Ferguson, 1789.« Ein paar Sekunden lang schloss er die Augen und stellte sich vor, wie sie hier am Küchentisch gesessen und ihren Namen geschrieben hatte. Vorsichtig, um das zarte Papier nicht zu beschädigen, blätterte er weiter, und da wusste er, was er in der Hand hielt. Eines ihrer Tagebücher.
    Wie in einem Brief aus ferner Vergangenheit erzählte sie ihm, was sie erlebt hatte, woher sie stammte, wie sie hierher gelangt und François begegnet war. Als Charlie den ersten Teil der Aufzeichnungen las, konnte er sein Glück kaum fassen.

8
    Sarah Ferguson stand am Fenster des Salons und blickte über das Moor hinweg, so wie an den letzten beiden Tagen. Obwohl der Herbst erst in einigen Wochen beginnen würde, hingen seit dem Morgen Nebelschwaden über dem Land, dunkle Wolken kündigten ein Gewitter an. Die düstere, bedrohliche Atmosphäre passte zu Sarahs Stimmung. Nun wartete sie schon so lange auf ihren Mann Edward, Earl of Balfour.
    Vor vier Tagen hatte er ihr einfach nur erklärt, er würde mit Freunden jagen, und fünf Diener mitgenommen. Nach Einzelheiten fragte sie niemals, denn die Erfahrung hatte sie eines Besseren belehrt. Nun durchsuchten mehrere Männer in Sarahs Auftrag den Gasthof, die benachbarte Stadt und die Schlafzimmer der Mädchen, die auf den Farmen der Bal-four-Ländereien arbeiteten. Nur zu gut kannte sie

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