Die Erscheinung
übersiedelt.«
»Als wir von Paris nach Amerika kamen, war ich in New York, und meine Grandma ging mit mir zu F.A.O. Schwarz.«
»Ein toller Spielzeugladen«, meinte er, und sie stimmte eifrig zu, bevor sie mit einem rasanten Schwung die Abfahrt begann. Charlie blieb ihr dicht auf den Fersen.
Bei der Talstation angelangt, fuhren sie gemeinsam im Sessellift nach oben. Weil er sich so gern mit dem kleinen Mädchen unterhielt, fand er, es würde sich lohnen, den Zorn der Mutter zu riskieren. Trotz der Probleme mit den Eltern strahlte Monique so viel Lebensfreude aus. Obwohl sie einiges durchgemacht hatte, wirkte sie kein bisschen deprimiert - im Gegensatz zu ihrer Mutter, die offenbar keinen Weg aus dem dunklen Tal ihrer verletzten Seele fand. Unwillkürlich empfand Charlie Mitleid mit der Frau.
Während der nächsten Abfahrt machten sie eine Weile Rast und sprachen über Europa. Es amüsierte Charlie, jene Welt, die er so gut kannte, aus dem ungewohnten Blickwinkel eines Kindes zu sehen. Monique erzählte, sie würde jetzt jeden Sommer zwei Monate bei Daddy verbringen, die eine Hälfte in Südfrankreich. Er sei Sportreporter beim TV, betonte sie voller Stolz, und sehr berühmt.
»Siehst du ihm ähnlich?«, fragte Charlie und musterte bewundernd die rotblonden Löckchen, die strahlend blauen Augen.
»Ja, sagt meine Mom.«
Vermutlich zählte das zu den Gründen, die den Hass der Frau noch schürten - nebst einer gewissen Marie-Lise. Während Monique weiterschwatzte, hörte er nur mehr mit halbem Ohr zu und überlegte, wie schrecklich manche Leute ihr Leben verkorksten. Sie betrogen und belogen sich, heirateten die falsche Frau oder den falschen Mann, verloren die Achtung voreinander, die Hoffnung, die Herzen. Allmählich erschien es ihm wie ein Wunder, dass es immer noch Ehepaare gab, die beisammen blieben. Er selbst hatte sich für den glücklichsten Mann der Welt gehalten - bis seine Frau in leidenschaftlicher Liebe zu einem anderen entbrannt war. Das klassische Thema einer Beziehungskiste …
Was mochte zwischen Moniques Eltern geschehen sein? Gab es einen besonderen Grund für die grimmige Miene der Mutter, die verkniffenen herzförmigen Lippen? War sie ein anderer Mensch gewesen, bevor Pierre Vironnet sie in tiefste Verzweiflung gestürzt hatte? Oder durfte er sich glücklich schätzen, weil er eine Xanthippe losgeworden war? Nun, das geht mich nichts an, dachte Charlie. Nur das Kind interessierte ihn.
Diesmal ging Monique rechtzeitig auf die Suche nach ihrer Mutter. Charlie hatte sich nach dem Treffpunkt erkundigt und das kleine Mädchen um Punkt drei Uhr losgeschickt. Danach fuhr er allein im Sessellift nach oben, um die Abfahrt ein letztes Mal zu genießen. Während er seine Skier durch den Schnee schwang, bedauerte er plötzlich, dass seine Ehe kinderlos geblieben war. Gewiss, ein Kind hätte die Trennung kompliziert. Aber aus diesen zehn Jahren wäre zumindest etwas wirklich Wertvolles hevorgegangen - nicht nur ein paar Antiquitäten, hübsche Gemälde, kostbares Porzellan. Sonst war nichts von diesen zehn Jahren übrig geblieben.
Am nächsten Tag traf er weder Monique noch ihre Mutter, und er überlegte, ob sie schon nach Hause gefahren waren. Zwei Tage lang fuhr er allein Ski. Obwohl er hier und da hübsche Frauen sah, knüpfte er keine Kontakte, weil er fand, es wäre nicht der Mühe wert. In dieser seltsamen Zeit glaubte Charlie im Übrigen, er hätte nichts zu sagen, nichts zu bieten, und keine Frau würde sich für ihn interessieren. Deshalb wollte er sich gar nicht erst anstrengen.
Nur zwei Menschen hatten ihn aus seinem Schneckenhaus gelockt - eine Achtjährige und eine Siebzigjährige. Ein trauriges Zeichen für den Zustand seiner Psyche, für seine Zukunftsperspektiven …
Zu seiner Verblüffung lief Monique ihm am Silvestermorgen über den Weg. »Hallo!«, rief er erfreut, während sie am Fuß des Berghangs die Skier anschnallten. »Wo warst du denn die ganze Zeit?« Ihre Mutter tauchte nicht auf. Sonderbar … Warum geriet die Frau in Zorn, wenn jemand ihrer Tochter einen Hot Dog kaufte, und ließ sie andererseits unbeaufsichtigt auf die Skipiste? Nun, vielleicht kannte sie Charlemont sehr gut und wusste, dass ihr Kind hier in Sicherheit war.
»Wir sind heimgefahren, weil Mom arbeiten musste«, erklärte Monique und strahlte ihn an. »Heute bleiben wir hier, und morgen reisen wir wieder ab.«
»Genauso wie ich. Bleibst du bis Mitternacht auf?«
»Wahrscheinlich«, erwiderte sie
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