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Die Erscheinung

Titel: Die Erscheinung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Steel
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dem Erben, den sie gebären sollte. Immer wieder würde er sie schwängern, bis sie daran zu Grunde ging, mit oder ohne Sohn. Davor graute ihr nicht mehr. Inzwischen sehnte sie das Ende sogar herbei, einen Unfall oder brutale Schläge, und sie würde gemeinsam mit einem ungeborenen Baby ins Jenseits hinübergehen. Nichts anderes wollte sie von ihrem Mann, nur den Tod und die damit verbundene Freiheit.
    Während sie nun auf ihn wartete, bezweifelte sie nicht, dass er wie üblich auf seinem bockigen Pferd in den Hof sprengen würde, immer noch im Vollgefühl irgendeines verwerflichen Abenteuers. Sicher war ihm nichts zugestoßen. Entweder lag er in den Armen einer Hure oder betrunken auf dem Boden einer Taverne. Wenn er dann nach Hause kam, würde er seine Frau züchtigen. Sie genoss seine Abwesenheit. Im Gegensatz zu allen anderen Hausbewohnern sorgte sie sich nicht um den Earl. Nach ihrer Ansicht war er viel zu boshaft, um für alle Zeiten zu verschwinden.
    Schließlich wandte sie sich vom Fenster ab und warf einen kurzen Blick zur Uhr auf dem Kaminsims. Ein paar Minuten nach vier. Sollte sie Haversham verständigen und ihn bitten, an der Suche nach Edward teilzunehmen? Er war der Halbbruder ihres Mannes. Zweifellos würde er sofort kommen. Aber es wäre albern, ihn zu beunruhigen. Und wenn Edward ihn bei seiner Heimkehr hier anträfe, würde er in helle Wut geraten. Lieber wollte sie noch einen Tag warten, bevor sie ihrem Schwager Bescheid gab.
    Langsam wanderte sie umher, dann setzte sie sich. In ihrem stilvollen Kleid mit dem weiten hellgrünen Satinrock und dem Oberteil aus dunkelgrünem Samt, das sich eng an ihre schlanke Figur schmiegte, glich sie einem jungen Mädchen. Die weiße Bluse, die sie darunter trug, zeigte fast die gleiche Farbe wie ihre Wangen. Doch ihre zarte, zerbrechliche Erscheinung täuschte. Sie war viel stärker, als sie aussah. Sonst hätte sie die ständigen Prügel nicht überlebt.
    Ihr Elfenbeinteint bildete einen faszinierenden Kontrast zu ihrem glänzenden schwarzen Haar, das sie jeden Morgen zu einem langen Zopf flocht und am Hinterkopf hochsteckte. Ohne sich an die neueste Mode zu halten, hatte sie stets elegant gewirkt, und ihre würdevolle Haltung schien den Kummer in ihren Augen Lügen zu strafen. Stets fand sie freundliche Worte für die Dienstboten, fast jeden Tag ritt sie zu den Farmen, um kranke Kinder zu betreuen und armen Familien Lebensmittel zu bringen.
    Schon seit früher Jugend interessierte sie sich für Kunst und Literatur. Sie war oft mit ihrem Vater nach Italien und Frankreich gereist. Aber seit ihrer Hochzeit hatte sie die Bal-four-Ländereien nur ganz selten verlassen, um den Earl nach London zu begleiten. Meistens behandelte er sie wie ein Möbelstück. Ihre außergewöhnliche Schönheit nahm er gar nicht wahr. Seinen Pferden schenkte er viel größere Aufmerksamkeit als seiner Frau.
    Umso freundlicher begegnete ihr Haversham, der das Leid in ihrem Blick erkannte, unglücklich mit ansah, wie grausam sein Halbbruder mit ihr umging. Aber er konnte nichts dagegen unternehmen. Bei ihrer Hochzeit war er einundzwanzig gewesen, und seit ihrer ersten Schwangerschaft liebte er sie. Das hatte er ihr erst nach zwei Jahren gestanden. Natürlich wagte sie nicht zu zeigen, dass sie seine Gefühle erwiderte. Wenn Edward auch nur Verdacht schöpfte, würde er sie beide töten. Und so nahm sie Haversham das Versprechen ab, nie wieder zu erwähnen, was er für sie empfand.
    Da seine Liebe hoffnungslos war, hatte er vor vier Jahren seine Kusine geheiratet, ein albernes, aber gutmütiges Mädchen namens Alice. Sie war auf einem Landgut in Cornwall aufgewachsen, und beide Familien begrüßten die Verbindung. Mittlerweile hatte sie ihm vier hübsche kleine Töchter geschenkt. Also gab es außer Haversham immer noch keinen Erben, da Landbesitz und Adelstitel nicht an Frauen übergehen konnten.
    Als die Abenddämmerung hereinbrach, zündete Sarah die Kerzen an. Wenig später hörte sie Geräusche im Hof, schloss zitternd die Augen und hoffte inständig, ihr Mann würde noch nicht zurückkehren. Mochte es auch sündhaft sein, so etwas zu denken - sie wäre gerettet, wenn er vielleicht doch einen tödlichen Unfall erlitten hätte.
    Atemlos trat sie ans Fenster, und da sah sie sein reiterloses Pferd, das ein Diener am Zügel führte - gefolgt von einem Bauernkarren, auf dem Edwards reglose Gestalt lag, in seinen Mantel gewickelt. Sarahs Herz schlug wie rasend. Falls er tot war, würde man

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