Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman
passende Farbe. Zum Beispiel außen weinrot, innen grau. Außen grau, innen schwarz. Außen blau, innen creme. Wobei mir einfällt, dass auch meine Lieblingsfrüchte innen und außen verschiedene, aber zueinanderpassende Farben haben. Ich denke da an Äpfel, Birnen, Pflaumen, Orangen und Zitronen. Ja, selbst Orangen und Zitronen. Denn ihr Äußeres verspricht mehr, als ihr Inneres hält.
Clint’s Cabs sind außen schwarz und innen schwarz, aber damit fahren sie prima, denn ihr Armaturenbrett ist eine Augenweide, und das Schwarz ist aus Leder.
Du fährst aber ziemlich langsam. Ach ja. Fahre ich wenigstens in die richtige Richtung. Nicht direkt, sagt Onkel Thoby, aber auch Umwege führen ans Ziel. Der Tacho zeigt Stundenkilometer an. Das ist das Problem.
Irrtum.
Ich schalte in den Vierten. Und mir fällt ein, wie mein Dad und ich Onkel Thoby vor vielen Jahren einmal vom Flughafen abholen wollten, und er saß nicht in der Maschine. Dad fuhr fast den ganzen Heimweg im Dritten.
Hier sieht’s aus wie in Mount Paler, sage ich.
Irrtum. Das ist eine neue Siedlung.
Ach.
Dieses Teilstück des Trans-Canada kenne ich noch gar nicht. Es ist breit und macht ein schmatzendes Geräusch. Links und rechts stehen pastellfarbene Häuser, mit der Rückseite zur Straße. Sie wirken irgendwie pikiert, als ob sie sagen wollten: Igitt, ist das etwa ein Highway hinter uns. Und ob das ein Highway ist. Auf dem ich im Übrigen gut unterwegs bin. Warum musstet ihr eure teuren Hütten und billigen Paläste auch ausgerechnet hier bauen. Wie soll man sich behaglich fühlen, wenn einem die Umgebung nicht behagt.
Sämtliche Häuser haben winzige Fenster, die zur Seite aufgehen. Ich stelle mir vor, wie ich versuche, eines dieser Fenster zu öffnen, ohne Erfolg.
Wie frustrierend es doch sein muss, hier zu wohnen. Stellen Sie sich vor, Sie sehen das eigene Haus vom Highway aus und wissen, dass Sie in frühestens zwanzig Minuten da sind, obwohl es keine zwei Minuten Luftlinie entfernt liegt. Weil Sie erst bis zur nächsten Ausfahrt fahren und sich dann mühsam durch das verschlungene Straßendickicht schlagen müssen. Und obwohl die Person, die an einem der besagten Fenster steht und Sie sehnsüchtig erwartet, Sie längst hat kommen sehen, bleibt ihr noch ausreichend Zeit, sich eine Sitcom anzuschauen, bis Sie endlich da sind.
Hoppla. Was ist denn mit den blauen Leuchten los.
Was.
Ich zeige mit dem Finger auf die Lichterkette, die eines der Fenster umrahmt. Guck mal, wie groß das Blau im Vergleich zu den anderen Farben ist.
Guck lieber auf die Straße, Oddly.
Es ist so geräumig, dieses Blau. Ich spüre den genialen Geist, der es erfunden hat.
Es ist unmöglich, denke ich, als wir endlich in der Stadt ankommen, dass mein Dad dieses glückliche Zusammentreffen von Wahl und Weihnachten nicht mehr erleben kann, hatte er doch für beides eine Menge übrig. Die Stadt ist mit Wahlplakaten und Lichterketten geschmückt, eine Kombination, die reichlich extravehikuläre Ablenkung schafft. Ein Beispiel: Da vorne steht ein riesiges Wahlplakat für Noel Horne. Jemand hat seinen Namen in Noel Hörner abgeändert und ihm passend dazu ein Paar aufgesetzt. Ziemlich witzig.
Alle Jahre wieder.
Wir kommen an einem Byrne-Doyle-Plakat vorbei. Byrne Doyle! Er hat eine verblüffende Ähnlichkeit mit Jacob Marley.
Der arme Byrne Doyle, sagt Onkel Thoby, sein üblicher Kommentar.
Wo bleibt Clint. Ich will endlich ein Clint-Plakat sehen.
Da vorn.
Wir nähern uns der Taxizentrale. Die eigentlich nichts weiter ist als eine Bretterbude mit einem Auto auf dem Dach. Aber meine Herren, das Auto haut einen immer wieder um. Ein echtes Clint’s Cab! Auf dem Dach! Da fragt man sich doch, warum man nicht doch Taxifahrer geworden ist, als man die Gelegenheit dazu hatte.
Der Schuppen strahlt hell wie ein Raumschiff. Die Weihnachtsbeleuchtung ist umwerfend. Das Blau des einsamen Erfinders ist nichts im Vergleich zu diesem Grün. Es geht einem wie Superman im Angesicht von Kryptonit. Man wird schwach. Man schaltet einen Gang herunter. Und noch einen. Als würde das Grün vor Leben buchstäblich pulsieren, und alle anderen Farbe wären tot.
Wir biegen um die Ecke und stehen vor einem riesigen Foto von Clint. Er hat sich einen orangenen Schal Bob-Cratchit-mäßig zweimal um den Hals gewickelt. Darunter steht: ORANGE WÄHLEN STATT SCHWARZ ÄRGERN – CLINT FÜR ST. JOHN’S-MITTE.
Und noch ein Schild: FAHRER GESUCHT.
Reichlich EVA.
Als wir den Schuppen hinter
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