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Die erste Nacht - Roman

Die erste Nacht - Roman

Titel: Die erste Nacht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
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abheben konnte. Der Sturm dauerte noch zwei Stunden. Keira fühlte sich nicht wohl, und ich tat mein Bestes, um sie zu beruhigen. Doch wir waren Gefangene in dieser Sardinenbüchse und wurden mehr geschüttelt als auf einem Fischkutter bei rauer See.
    »Das ist oft so, wenn man Sibirien zu dieser Jahreszeit überfliegt«, erklärte Egorov. »Das Schlimmste aber haben wir hinter uns. Ruhen Sie sich aus, uns bleiben noch vier Flugstunden, und sobald wir am Ziel sind, müssen wir alle Kräfte mobilisieren, um das Lager zu errichten.«
    Man bot uns einen Imbiss an, doch unsere Mägen waren zu sehr malträtiert, um irgendwelche Nahrung aufzunehmen. Keira legte den Kopf auf meinen Schoß und schlief wieder ein, das beste Mittel, um die Zeit totzuschlagen. Ich beugte mich erneut zum Fenster.
    »Wir sind sechshundert Kilometer von der Karasee entfernt«, erklärte Egorov und deutete nach Norden. »Aber, glauben Sie mir, die Sumerer haben länger gebraucht, um dorthin zu gelangen!«
    Keira richtete sich auf und versuchte nun ihrerseits, draußen etwas zu erkennen. Egorov forderte sie auf, sich ins Cockpit zu begeben. Der Kopilot bot ihr seinen Platz an. Ich war ihr gefolgt und stellte mich direkt hinter sie. Sie war fasziniert und tief beeindruckt, und als ich sie so glücklich sah, lösten sich all meine Zweifel, was die Fortsetzung unserer Reise betraf, in Wohlgefallen auf. Das Abenteuer, das wir durchlebten, würde uns einmalige Erinnerungen hinterlassen, und ich sagte mir, das wäre die Risiken wert.

    »Wenn du das eines Tages deinen Kindern erzählst, werden sie dir nicht glauben!«, rief ich Keira zu.
    Und sie erwiderte mir, ohne sich umzudrehen, in jenem Tonfall, der mir so vertraut war: »Ist das deine Art, mir zu sagen, dass du Kinder mit mir haben möchtest?«

Hotel Baltschug Kempinski
    Auf der anderen Seite der Moskwa, gegenüber dem Kreml trank MOSKAU einen Tee in Begleitung einer jungen Frau, die allerdings nicht die seine war. Die Halle des Grandhotels war gut besucht, die Kellner in Livree bahnten sich ihren Weg zwischen den Sesseln hindurch, servierten Touristen und Geschäftsleuten, die an diesem eleganten und begehrten Ort zusammenkamen, Tee und kleine Kuchen.
    Ein Mann ließ sich an der Theke nieder; er fixierte MOSKAU und wartete, dass sich ihre Blicke kreuzten. Als Letzterer ihn bemerkte, entschuldigte er sich bei seinem Gast und trat an die Bar.
    »Was haben Sie hier zu suchen?«, fragte er und nahm auf dem Hocker neben ihm Platz.
    »Es tut mir leid, Sie zu stören, doch es war uns unmöglich, heute Morgen einzugreifen.«
    »Sie sind ein Versager, und ich hatte LONDON versprochen, dass die Sache bis heute Abend geregelt ist. Ich dachte, Sie würden mir mitteilen, dass die beiden in einem Flugzeug Richtung London sitzen.«
    »Wir konnten nicht wie geplant handeln, da sie Egorovs Anwesen quasi unter Geleitschutz verlassen haben und dann mit ihm in einem Helikopter davongeflogen sind.«
    MOSKAU hasste dieses Gefühl der Machtlosigkeit. Solange Egorov und seine Männer die beiden Forscher schützten, konnte er unmöglich eingreifen, ohne ein Blutbad anzurichten.
    »Und wohin wollen sie mit diesem Helikopter?«
    »Egorov hat heute Morgen einen Flugplan vorgelegt, er sollte in Lesosibirsk landen, doch die Maschine ist von ihrem Kurs abgewichen und kurz danach von den Radarschirmen verschwunden.«
    »Wenn er bloß abgestürzt wäre!«
    »Das ist durchaus möglich, denn es gab einen schweren Schneesturm.«
    »Sie haben landen und abwarten können, bis Ihr Schneesturm vorbei war.«
    »Er hat sich entfernt, doch die Maschine ist nicht wieder auf den Bildschirmen erschienen.«
    »Das bedeutet doch nur, dass es dem Piloten gelungen ist, unterhalb des Radarschirms zu fliegen und dass wir ihn verloren haben.«
    »Nicht ganz. Ich habe diese Möglichkeit in Erwägung gezogen. Zwei Tanklastwagen mit zwölftausend Litern Treibstoff haben am Nachmittag Pyt-Jach verlassen und sind erst vier Stunden später wieder an ihren Stützpunkt zurückgekehrt. Wenn sie Egorovs Helikopter aufgetankt haben, so muss das auf halbem Weg nach Khanty-Mansiysk geschehen sein, das heißt exakt zwei Stunden Fahrzeit von Pyt-Jach entfernt.«
    »Das sagt uns noch lange nicht, wohin der Helikopter dann weitergeflogen ist.«
    »Nein, aber ich habe meine Berechnungen fortgeführt. Der Mil Mi-26 hat eine Reichweite von sechshundert Kilometern, das ist das Maximum im Fall von Gegenwind. Seit ihrem Start müssen sie in gerader Linie geflogen sein, um

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