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Die erste Nacht - Roman

Die erste Nacht - Roman

Titel: Die erste Nacht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
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der Umgang mit Waffen ist nicht unsere Stärke.«

    Während Keira auf sie zielte, fesselten Eric und ich unsere beiden Angreifer. Sie saßen Rücken an Rücken, Fuß- und Handgelenke zusammengebunden, am Boden. Keira klemmte den Revolver unter ihren Gürtel, kniete sich hin und näherte ihr Gesicht dem von Marco.
    »Ich weiß, es ist gemein, und Sie haben sogar das Recht, mich feige zu finden, ich könnte es Ihnen nicht verübeln, aber ›sie‹ hat Ihnen noch eine letzte Sache zu sagen …«
    Damit verpasste sie ihm eine solche Ohrfeige, dass er zur Seite kippte.
    »So, jetzt können wir gehen.«
    Als wir den Raum verließen, dachte ich an diesen armen Mann, der uns bei sich aufgenommen hatte. Wenn er nach Hause käme, würde er zwei ziemlich übel gelaunte Gäste vorfinden …
     
    Wir stiegen in einen der beiden Jeeps. Harry erwartete uns auf der Rückbank.
    »Siehst du, du brauchst mich«, sagte er zu Keira.
    »Ihr könnt euch bei ihm bedanken. Er hat uns Bescheid gegeben, dass ihr in Schwierigkeiten steckt.«
    »Aber woher hast du das gewusst?«, fragte Keira.
    »Ich habe den Wagen wiedererkannt, keiner im Dorf mag diese Männer. Ich bin ans Fenster geschlichen und habe gesehen, was passiert ist. Dann habe ich schnell deine Freunde geholt.«
    »Und wie bist du in so kurzer Zeit zur Grabungsstätte gekommen?«
    »Das Lager ist gar nicht weit von hier entfernt, Keira«, erwiderte Eric. »Nach dem Tod des Dorfältesten waren wir im Omo-Tal nicht mehr willkommen, du verstehst, was ich meine. Außerdem haben wir dort, wo du gesucht hast, nichts
gefunden und die Ausgrabungen deshalb verlagert. Bei der ganzen Unsicherheit und dem Frust sind wir weiter nach Norden gezogen.«
    »Na, offenbar hast du das Projekt ja wirklich in die Hand genommen.«
    »Weißt du, wie lange wir nichts von dir gehört haben? Du brauchst mir jetzt also keine Lektion zu erteilen.«
    »Ich bitte dich, Eric, du musst mich nicht für dumm verkaufen. Durch die Verlagerung der Ausgrabungen hast du jede Spur meiner Arbeit verwischt und dir das Urheberrecht der zukünftigen Entdeckungen gesichert.«
    »Diese Absicht habe ich nicht im Traum gehabt. Wenn hier einer ein Egoproblem hat, dann du, Keira, nicht ich. Und jetzt erklär uns doch bitte mal, warum diese Italiener hinter euch her sind?«
    Unterwegs erzählte Keira von unseren Abenteuern, seit wir Äthiopien verlassen hatten. Von unserer Reise nach China, unserer Entdeckung auf der Insel Narcondam - ihren Aufenthalt im Gefängnis von Garther klammerte sie aus -, von unseren Recherchen auf der Hochebene von Man-Pupu-Nyor und ihren Schlussfolgerungen, was die Migrationen der Sumerer betraf. Sie hielt sich nicht lange bei unserer schmerzhaften Abreise aus Russland auf, auch nicht bei den Unannehmlichkeiten während unserer letzten Nacht in der Transsibirischen Eisenbahn, beschrieb aber in allen Einzelheiten das überraschende Spektakel, das wir im Laser-Saal der Virje-Universität erlebt hatten.
    Eric hielt an und drehte sich zu Keira um.
    »Was erzählst du da? Eine Aufzeichnung der ersten Augenblicke des Universums aus einer Zeit vor vierhundert Millionen Jahren? Sonst noch was? Wie kann jemand mit deinen Kenntnissen so etwas Absurdes glauben? Haben etwa die Tetrapoden
im Devon deine Scheibe aufgenommen? Das ist ja geradezu grotesk.«
    Keira versuchte erst gar nicht, mit Eric zu diskutieren, und machte mir ein Zeichen, bloß nicht einzugreifen. Schließlich erreichten wir das Lager.
    Ich hatte eigentlich erwartet, dass Keiras Rückkehr gefeiert würde und alle froh wären, sie endlich wiederzusehen, doch es schien, als würden sie ihr immer noch übel nehmen, was damals am Turkana-See passiert war. Keira aber war ein dominanter Charakter. Sie wartete geduldig, bis es Abend wurde. Als die Archäologen ihre Arbeit beendet hatten, bat sie ihr ehemaliges Team zu einer Besprechung, sie hätte etwas Wichtiges mitzuteilen. Eric schien wütend über ihre Initiative, und so raunte ich ihm zu, der Geldpreis, der ihnen doch erst ermögliche, ihre Ausgrabungen zu tätigen, sei schließlich an Keira gegangen und nicht an ihn. Sollte die Stiftung erfahren, dass Keira von ihrem eigenen Projekt ausgeschlossen worden war, könnten die großzügigen Wohltäter des Komitees durchaus in Betracht ziehen, die monatlichen Zahlungen einzustellen. Eric ließ sie also zu Wort kommen.
    Keira wartete bis zum Einbruch der Dunkelheit. Dann nahm sie unsere drei Fragmente und fügte sie zusammen. Sobald sie vereint waren, nahmen

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