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Die erste Nacht - Roman

Die erste Nacht - Roman

Titel: Die erste Nacht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
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ziehe mein Hemd aus und folge seinem Beispiel. Das Wasser ist eisig, dieser Fluss wird sicher von dem Gletscher gespeist, den man in der Ferne erkennt.
    Der Mann hält seinen Schlauch unter Wasser, ich tue es ihm gleich, und beide füllen sich. Ich habe große Mühe, den meinen bis zum Ufer zu tragen.
    Dort angekommen, reißt der Nomade ein Büschel Gras aus und reibt seinen Körper damit. Sobald er trocken ist, zieht er
sich an, setzt sich und ruht etwas aus. »Perseus«, sagt er und deutet zum Himmel, dann gleitet seine Hand weiter in Richtung einer Flussbiegung, die einige hundert Meter entfernt liegt. Etwa zwei Dutzend Männer baden dort, doppelt so viele bearbeiten einen Acker. Jeder von ihnen zieht mit einem Pflug gleichmäßige Bahnen, an ihrer Kleidung erkenne ich sie sofort.
    »Garther«, flüstert mein Begleiter.
    Ich bedanke mich und springe auf, um zu den Mönchen zu laufen, doch er hält mich am Arm zurück. Seine Züge verfinstern sich. Mit einer Kopfbewegung befiehlt er mir, nicht zu gehen. Er zieht mich am Ärmel. Da ich Angst in seinen Augen lese, gehorche ich und folge ihm den Hang hinauf zurück. Als wir oben sind, drehe ich mich noch einmal um. Die Mönche, die vorher gebadet hatten, haben ihre Gewänder wieder angelegt und die Arbeit aufgenommen. Sie ziehen jetzt seltsam gekrümmte Furchen, die an die Linien eines Elektrokardiogramms erinnern. Als wir auf der anderen Seite den Hügel hinabklettern, verschwinden sie aus meinem Blickfeld. Sobald wie möglich würde ich meinen Gastgeber verlassen und in das Tal zurückkehren.
    Die Nomadenfamilie nimmt mich gern auf, doch nach ihrer Tradition muss ich mein tägliches Brot verdienen.
    Die Frau kommt aus der Jurte und führt mich singend zu einer Yakherde, die auf der Weide grast. Ich achte nicht weiter auf den Behälter, den sie mit sich führt, bis sie sich vor einen der seltsamen Vierbeiner kniet und ihn zu melken beginnt. Kurz darauf überlässt sie mir ihren Platz, da sie offenbar der Meinung ist, dass die Lektion ausreichend war. Sie lässt mich zurück, und der Blick, den sie auf den Eimer wirft, macht mir klar, dass ich erst zurückkommen darf, wenn dieser gefüllt ist.
    Doch nichts ist so einfach, wie es aussieht. Ich weiß nicht, ob es die mangelnde Sicherheit meinerseits oder der üble Charakter
dieser verflixten asiatischen Kuh ist, doch diese hat offenbar nicht die Absicht, sich vom erstbesten Hergelaufenen die Zitzen massieren zu lassen. Sobald ich die Hand nach dem Euter ausstrecke, macht das Tier einen Schritt vor oder zurück … Ich probiere die verschiedensten Strategien aus: Schmeicheln, Autorität, Bitten, Ärger, Schmollen - es hilft alles nichts.
    Meine Retterin ist kaum vier Jahre alt. Das ist kein Ruhmeszeugnis für mich, ganz im Gegenteil, aber es entspricht der Wahrheit.
    Die Kleine mit den roten Apfelbäckchen taucht plötzlich mitten auf dem Feld auf, ich glaube, sie ist schon eine Weile da und amüsiert sich über das Schauspiel. Sicher hat sie vorher ihr helles Lachen unterdrückt, um ihre Anwesenheit nicht zu verraten. Als wolle sie sich entschuldigen, sich über mich lustig gemacht zu haben, kommt sie näher, tippt mir auf die Schulter, ergreift mit einer schnellen Bewegung den Euter des Yaks und lacht wieder fröhlich, als die Milch in den Eimer spritzt. So einfach geht das also! Sie schiebt mich auf die Seite des Tiers, und ich muss die Herausforderung annehmen. Ich knie mich hin, sie sieht mir zu und klatscht Beifall, als die ersten Tropfen Milch austreten. Die Arme hinter dem Kopf verschränkt, legt sie sich ins Gras und überwacht mich. Trotz ihres jungen Alters hat ihre Gegenwart etwas Beruhigendes. Dieser Nachmittag ist friedlich und heiter. Kurz darauf kehren wir zum Lager zurück.
    Zwei weitere Zelte sind neben dem aufgestellt worden, in dem ich die Nacht verbracht habe, und jetzt sitzen drei Familien um ein großes Feuer. Als ich in Begleitung meiner kleinen Führerin zum Lager zurückkehre, kommen uns die Männer entgegen, mein Gastgeber bedeutet mir, weiterzugehen. Die Frauen warten auf mich, sie selbst gehen das Vieh zusammentreiben. Ich bin gekränkt, von dieser wesentlich männlicheren Arbeit als der meinen ausgeschlossen zu werden.

    Der Tag neigt sich seinem Ende zu, ich hebe den Blick zum Himmel, in spätestens einer Stunde wird es dunkel. Ich bin ganz von der Idee beherrscht, meine Nomadenfreunde zu verlassen, um herauszufinden, was sich unten im Tal abspielt. Ich will den Mönchen folgen, wenn sie

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