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Die erste Nacht - Roman

Die erste Nacht - Roman

Titel: Die erste Nacht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
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keins.«
    »Ich spreche nicht von einem Dorf, sondern von einem Nomadenlager.«
    »Wenn es Nomaden sind, können sie ebenso gut weitergezogen sein.«
    »Das Lager ist da, und seine Bewohner werden uns helfen.«
    »Komm, wir wollen uns nicht streiten. Gehen wir also zu deinem Nomadenlager!«, sagst du und schlüpfst in Hose und Pullover.
    »Wo ist denn diese verflixte Ausgangstür?«, frage ich.
    »Genau vor dir …«
    Sobald wir draußen sind, will ich dich zu dem Wäldchen führen, doch du fasst mich beim Arm und ziehst mich auf den Pfad zum Fluss.
    »Wir dürfen nicht das Risiko eingehen, uns im Wald zu verirren. Uns bleibt wenig Zeit, bis die Kälte einbricht.«
    Du kennst die Gegend besser als ich, also lasse ich dich die Führung übernehmen. Am Fluss erkenne ich den Weg, der den Hügel hinaufführt. In zehn Minuten haben wir ihn erreicht und in maximal einer Dreiviertelstunde dann die Hochebene, wo meine Freunde ihr Lager aufgeschlagen haben.
    Die Nacht ist eisiger, als ich befürchtet habe. Ich fröstele
schon, bevor der Fluss in Sicht ist. Du sagst nichts, bist ganz konzentriert auf den Weg. Ich kann dir dein Schweigen nicht verübeln, du hast sicher recht, deine Kräfte zu schonen, ich spüre mit jedem Schritt, wie mich die meinen verlassen.
    Als wir das Ende der Felder erreicht haben, auf denen die Mönche tagsüber arbeiten, beginne ich, mir ernsthafte Vorwürfe zu machen, dich in diese Situation gebracht zu haben. Schon seit Minuten glaube ich, meine Glieder nicht mehr zu spüren.
    »Ich schaffe es nie«, keuchst du.
    Bei jedem Wort dringt eine weiße Dunstwolke aus deinem Mund. Ich ziehe dich an mich, reibe deinen Rücken. Ich würde dich gerne küssen, doch meine Lippen sind wie erfroren … Dann rufst du mich zur Ordnung.
    »Wir haben keine Zeit zu verlieren. Wir dürfen nicht stehen bleiben. Führ uns schnell zu deinem Lager, sonst erfrieren wir.«
    Mir ist so kalt, dass ich am ganzen Körper zittere.
    Je höher wir steigen, umso mehr scheint sich der Hang auszudehnen. Durchhalten, noch eine kleine Anstrengung, höchstens zehn Minuten, dann sind wir oben. Von dort aus müssten wir in einer klaren Nacht wie dieser auf der anderen Seite die Jurten sehen können. Allein der Gedanke an die Wärme darin gibt uns Kraft und Mut. Wenn wir erst einmal den Gipfel erreicht haben, dauert der Abstieg ins Tal nicht mehr lange, das weiß ich, und sollten wir völlig am Ende sein, brauche ich nur um Hilfe zu rufen.
    Mit etwas Glück werden meine Nomadenfreunde unsere Schreie in der Nacht hören.
    Du stolperst dreimal, dreimal helfe ich dir auf. Beim vierten Mal ist dein Gesicht totenblass. Deine Lippen sind bläulich verfärbt wie damals, als du vor meinen Augen im Gelben Fluss
ertrunken bist. Ich richte dich auf, schiebe meinen Arm unter deine Achsel und stütze dich.
    Unterwegs rufe ich, du sollst durchhalten und auf keinen Fall die Augen schließen.
    »Hör auf, mich anzuschreien«, stöhnst du. »Es ist so schon schlimm genug. Ich habe dich gewarnt, dass es nicht möglich ist, aber du wolltest nicht auf mich hören.«
    Hundert Meter, es sind nur noch hundert Meter bis zum Gipfel. Ich beschleunige den Schritt und spüre, dass du dich leicht machst, du bist wieder etwas zu Kräften gekommen.
    »Der letzte Hauch«, sagst du, »ein letztes Aufzucken vor dem Tod. Komm, beeil dich, statt mich so aufgelöst anzusehen. Kann ich dich nicht einmal mehr zum Lachen bringen?«
    Du lallst ein wenig, mit deinen gefrorenen Lippen kannst du nicht mehr richtig artikulieren. Aber du richtest dich auf, stößt mich zurück und läufst allein vor mir her.
    »Du trödelst, Adrian, du trödelst!«
    Fünfzig Meter! Ich bleibe hinter dir zurück. Sosehr ich mich auch bemühe, ich vermag dich nicht einzuholen, du wirst vor mir oben sein.
    Dreißig Meter! Der Gipfel ist nicht mehr weit, du hast ihn fast erreicht. Ich will vor dir da sein, will als Erster das lebensrettende Lager sehen.
    »Wenn du so trödelst, schaffst du es nicht. Ich kann nicht zurückkommen und dich holen. Schneller, Adrian, beeil dich!«
    Zehn Meter! Du bist oben, stehst kerzengerade da, die Hände in die Hüften gestemmt. Ich sehe dich von hinten, du blickst über das Tal, ohne ein Wort zu sagen.
    Fünf Meter! Meine Lunge platzt gleich. Vier Meter! Ich werde nun von Krämpfen geschüttelt. Keine Kraft mehr, ich rutsche aus und falle. Du beachtest mich gar nicht. Ich muss aufstehen, nur noch zwei oder drei Meter, aber der Boden ist
so weich, der Himmel mit dem Vollmond

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