Die erste Nacht - Roman
so schön. Ich spüre, wie eine Brise meine Wangen streichelt und mich wiegt.
Du beugst dich über mich. Ein furchtbarer Hustenanfall zerreißt beinahe meine Brust. Die Nacht ist klar, so klar, dass man sieht wie am Tag. Das muss die Kälte sein, ich bin geblendet. Die Helligkeit ist fast unerträglich.
»Siehst du«, sagst du und deutest auf das Tal. »Ich habe es dir ja gesagt, deine Freunde sind fort. Das kann man ihnen nicht übel nehmen, Adrian, sie sind Nomaden, Freunde hin oder her, sie bleiben nie lange am selben Ort.«
Mühsam öffne ich die Augen: Anstelle des Lagers, das ich so sehr zu sehen hoffte, entdecke ich in der Ferne die Mauern des Klosters. Wir sind im Kreis gelaufen, wieder an unserem Ausgangspunkt! Aber das ist unmöglich, wir sind nicht im selben Tal, ich sehe das Wäldchen nicht.
»Tut mir leid«, murmelst du, »sei mir nicht böse. Ich habe es versprochen, und ein Versprechen kann man nicht brechen. Du hast geschworen, mich zurück nach Addis Abeba zu bringen. Wenn du könntest, würdest du Wort halten, nicht wahr? Sieh doch, wie du unter deiner Ohnmacht leidest, und versteh mich. Du verstehst mich doch, oder?«
Du drückst mir einen Kuss auf die Stirn. Deine Lippen sind eisig. Du lächelst und entfernst dich. Deine Schritte sind so sicher, als hätte die Kälte plötzlich keine Macht mehr über dich. Du läufst ruhig durch die Nacht in Richtung Kloster. Ich habe nicht mehr die Kraft, dich zurückzuhalten oder dir zu folgen. Ich bin Gefangener meines Körpers, der jede Bewegung verweigert, so als wären meine Arme und Beine durch starke Fesseln behindert. Ohnmächtig, wie du gesagt hast, ehe du gegangen bist. Als du das Tor des Klosters erreichst, öffnen sich die beiden großen Flügel. Du drehst dich ein letztes Mal um und trittst ein.
Du bist zu weit entfernt, als dass ich dich hören könnte, und doch dringt der Klang deiner Stimme klar zu mir.
»Sei geduldig, Adrian. Wir sehen uns vielleicht wieder. Achtzehn Monate sind nicht so lang, wenn man sich liebt. Keine Angst, du schaffst es, du hast diese Kraft in dir. Außerdem kommt dir jemand zu Hilfe, er ist schon fast da. Ich liebe dich, Adrian, ich liebe dich.«
Die schweren Türen des Klosters von Garther schließen sich hinter deiner zierlichen Gestalt.
Ich schreie deinen Namen in die Nacht, ich schreie wie ein gefangener Wolf, der den Tod auf sich zukommen sieht. Trotz meiner steifen Glieder wehre ich mich mit aller Kraft. Ich schreie und schreie, als ich mitten in der verlassenen Hochebene eine mir bekannte Stimme höre.
»Beruhigen Sie sich, Adrian.« Diese Stimme ist mir vertraut, es ist die eines Freundes. Walter wiederholt diesen Satz, der keinen Sinn ergibt.
»Verdammt noch mal, Adrian, beruhigen Sie sich endlich. Am Ende verletzen Sie sich noch!«
Universitätsklinikum Athen Abteilung Lungeninfektionen
»Verdammt noch mal, Adrian, beruhigen Sie sich endlich. Am Ende verletzen Sie sich noch!«
Ich öffnete die Augen, wollte mich aufsetzen, aber ich war angegurtet. Walter schien völlig verwirrt.
»Sind Sie wirklich wieder unter uns, oder machen Sie erneut eine Deliriumsphase durch?«
»Wo sind wir?«, murmelte ich.
»Beantworten Sie zunächst meine Frage: Mit wem sprechen Sie? Wer bin ich?«
»Also, hören Sie mal, Walter, sind Sie jetzt völlig verrückt geworden oder was?«
Walter klatschte in die Hände. Ich begriff seine Aufregung nicht. Er stürzte zur Tür und schrie hinaus auf den Gang, ich sei aufgewacht, und diese Neuigkeit schien ihn ganz euphorisch zu machen. Dann aber drehte er sich verzweifelt zu mir um.
»Ich weiß nicht, wie Sie in diesem Land leben können, es ist, als würde das Leben zur Mittagszeit stehen bleiben. Nicht eine Krankenschwester ist mehr zu sehen. Ach ja, ich habe versprochen, Ihnen zu sagen, wo wir sind. Wir befinden uns im dritten Stock des Universitätsklinikums von Athen, Station für Lungeninfektionen, Zimmer 307. Sobald Sie können, sollten Sie den Ausblick bewundern, wirklich schön. Von Ihrem Fenster aus sieht man die Reede. Ungewöhnlich für ein Krankenhaus,
so ein Panorama. Ihre Mutter und Ihre reizende Tante haben Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, damit Sie ein Einzelzimmer bekommen. Die beiden haben der Klinikverwaltung keine Ruhe gelassen. Ihre Tante und Ihre Mutter sind zwei Heilige, glauben Sie mir.«
»Was tue ich hier? Warum bin ich festgebunden?«
»Die Entscheidung, Sie anzugurten, hat uns selbst nicht gefallen, das müssen Sie wissen, aber Sie hatten
Weitere Kostenlose Bücher