Die erste Nacht - Roman
hielten rund um die Uhr einen Samowar bereit und boten den Fahrgästen heißes Wasser und Tee an. Ich holte mir etwas zu trinken und erkundigte mich bei dieser Gelegenheit über die Reisedauer bis Irkutsk. Wir würden drei Tage und, diese eingeschlossen, vier Nächte benötigen, um die mehr als fünftausend Kilometer zurückzulegen.
Madrid
Sir Ashton legte sein Handy auf den kleinen Tisch, zog seinen Morgenmantel aus und kehrte ins Bett zurück.
»Was gibt es Neues?«, fragte Isabel und faltete die Zeitung zusammen.
»Sie sind in Moskau gesehen worden.«
»Unter welchen Umständen?«
»Sie sind zur Akademie der Wissenschaften gegangen, um Informationen über einen alten Antiquitätenschmuggler zu bekommen. Dem Direktor kam das merkwürdig vor, und er hat die Polizei geholt.«
Isabel setzte sich auf und zündete sich eine Zigarette an.
»Hat man sie festgenommen?«
»Nein, die Polizei hat ihre Spur bis zu dem Hotel verfolgt, in dem sie abgestiegen waren, doch sie kam zu spät.«
»Hat man sie aus den Augen verloren?«
»Ehrlich gesagt weiß ich es nicht. Sie sollen versucht haben, den Transsibirien-Express zu nehmen.«
»Versucht?«
»Die Russen haben einen Typen festgenommen, der ihre Tickets holen wollte.«
»Und sind sie in dem Zug?«
»Am Bahnhof wimmelte es von Polizisten, aber keiner hat sie einsteigen sehen.«
»Wenn sie den Eindruck hatten, gejagt zu werden, haben sie vielleicht versucht, ihre Verfolger auf eine falsche Fährte zu locken.
Die russische Polizei darf sich nicht in unsere Angelegenheiten einmischen, das würde alles nur komplizieren.«
»Ich denke nicht, dass unsere Wissenschaftler so clever sind, wie Sie annehmen. Ich glaube eher, dass sie in dem Zug sind. Der Typ, den sie suchen, wohnt am Baikalsee.«
»Warum wollen sie diesen Antiquitätenschmuggler treffen? Eine seltsame Idee, glauben Sie, er …«
»Er hat eines der Fragmente in seinem Besitz? Nein, das hätten wir längst erfahren. Aber wenn sie sich so viel Mühe machen, ihn zu treffen, dann muss er Informationen haben, die wichtig für sie sind.«
»Nun, mein Lieber, dann bleibt Ihnen nur, diesen Mann zum Schweigen zu bringen, bevor sie ihn gefunden haben.«
»Das ist nicht so einfach, es handelt sich um ein ehemaliges Parteimitglied. Und wenn er heute trotz seiner Vorgeschichte einen angenehmen Lebensabend auf einer Datscha am Ufer eines Sees verbringt, dann weil er starke Protektion genießt. Vor Ort werden wir niemanden finden, der das Risiko eingeht, etwas gegen diesen Mann zu unternehmen. Da müssten wir schon selbst jemanden hinschicken.«
Isabel drückte die Zigarette in dem Aschenbecher auf dem Nachtkästchen aus, griff nach dem Päckchen und zündete sich eine weitere an.
»Haben Sie einen anderen Plan, um dieses Treffen zu verhindern?«
»Sie rauchen zu viel, meine Liebe«, antwortete Sir Ashton, erhob sich und öffnete das Fenster. »Sie kennen meine Pläne besser als jeder andere, Isabel. Trotzdem haben Sie dem Rat eine Alternative vorgeschlagen, die uns nur Zeit kostet.«
»Können wir sie abfangen, ja oder nein?«
»MOSKAU hat es versprochen. Wir sind übereingekommen, dass es besser ist, wenn sich unsere Opfer zunächst etwas in
Sicherheit wiegen. In einem Zug einzugreifen, ist nicht so leicht, wie es scheint. Und außerdem werden ihnen achtundvierzig Stunden Aufschub den Eindruck vermitteln, durch die Maschen des Netzes geschlüpft zu sein. MOSKAU schickt Leute nach Irkutsk, die sie bei der Ankunft in Empfang nehmen werden. Aber angesichts der Beschlüsse, die der Rat gefasst hat, werden die beiden nur festgenommen und in ein Flugzeug nach London gesetzt.«
»Mein Vorschlag hatte den Vorteil, eine Mehrheit für die Einstellung der Suche zu gewinnen; ganz abgesehen davon, dass Sie so von jedem Verdacht, an Vackeers Tod schuld zu sein, reingewaschen waren. Nachdem das erreicht ist, müssen die Dinge ja nicht unbedingt wie geplant ablaufen.«
»Darf ich daraus schließen, dass Sie nicht zwingend radikaleren Maßnahmen abgeneigt sind?«
»Schließen Sie, was Sie wollen, aber hören Sie auf, hin und her zu laufen, mir wird ganz schwindelig.«
Ashton schloss das Fenster, zog seinen Morgenmantel aus und legte sich ins Bett.
»Informieren Sie Ihre Männer nicht?«
»Das ist nicht nötig, alles ist bereits in die Wege geleitet, das hatte ich schon vorher beschlossen.«
»Von welcher Art Beschluss sprechen Sie?«
»Davon, vor unseren russischen Freunden einzugreifen. Wenn der Zug morgen aus
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