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Die erste Nacht - Roman

Die erste Nacht - Roman

Titel: Die erste Nacht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
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Jekaterinburg abfährt, ist die Angelegenheit geregelt. Höflichkeitshalber werde ich dann MOSKAU Bescheid geben, damit er seine Leute nicht umsonst nach Irkutsk schickt.«
    »Die Organisation wird außer sich sein, wenn sie erfährt, dass Sie gegen die heute Abend beschlossenen Entscheidungen verstoßen haben.«
    »Ich überlasse es Ihnen, nach Belieben Ihr kleines Szenario
zu entwickeln. Sie verurteilen meine Initiative oder Unfähigkeit, mich den Regeln zu beugen. Sie weisen mich zurecht, ich entschuldige mich und schwöre, dass meine Männer eigenmächtig gehandelt haben - glauben Sie mir, in zwei Wochen spricht kein Mensch mehr darüber. Ihre Autorität ist unbeschadet, und unsere Probleme sind gelöst, was will man mehr?«
    Ashton knipste das Licht aus …

Transsibirien-Express
    Keira verbrachte den Tag mit einer furchtbaren Migräne in ihrer Koje. Ich hütete mich, ihr auch nur die geringsten Vorwürfe wegen ihrer Exzesse vom Vorabend zu machen, auch dann, als sie mich anflehte, sie umzubringen, damit der Kopfschmerz ein Ende hätte. Alle halbe Stunde ging ich zum Ende des Wagens, wo mir die Zugbetreuerin freundlicherweise lauwarme Kompressen machte, die ich auf Keiras Stirn legte. Sobald sie wieder eingeschlafen war, sah ich aus dem Fenster. Wir kamen an Dörfern vorbei, deren Häuser aus Birkenrundstämmen gebaut waren. Wenn wir in einem der kleinen Bahnhöfe anhielten, drängten sich die Bauern vor dem Zug, um ihre Produkte zu verkaufen: Kartoffelsalat, Twarok, Blinis, Marmeladen, Kohl- oder Fleischtaschen. Doch schon nach kurzer Zeit fuhr der Zug weiter durch die endlosen menschenleeren Ebenen des Urals. Am späten Nachmittag ging es Keira allmählich besser. Sie trank ein wenig Tee und aß einige Trockenfrüchte. Wir näherten uns Jekaterinburg, wo unsere italienischen Nachbarn ausstiegen, um weiter nach Ulan-Bator zu reisen.
    »Diese Stadt würde ich so gerne sehen«, meinte Keira, »die Blutkirche muss fantastisch sein.«
    Ein eigenartiger Name für eine Kirche, aber sie ist an der Stelle des Ipatjew-Hauses erbaut, in dem Zar Nikolaus II., seine Frau Alexandra Federowa und ihre fünf Kinder ermordet wurden.
    Aber wir hatten leider keine Zeit für Besichtigungen. Der
Aufenthalt würde nur eine halbe Stunde dauern, während der die Lokomotive ausgetauscht wurde, wie mir die Zugbegleiterin verriet. Aber wir könnten uns die Beine vertreten und etwas zu essen kaufen, das würde Keira guttun.
    »Ich habe keinen Hunger«, stöhnte sie.
    Die Vororte unterschieden sich nicht von denen der anderen großen Industriestädte, der Zug hielt im Bahnhof.
    Keira war bereit, auszusteigen und ein paar Schritte zu laufen. Es war inzwischen dunkel geworden, und auf dem Bahnsteig priesen Babuschkas lautstark ihre Ware an. Neue Fahrgäste stiegen zu, zwei Polizisten machten ihre Runde, ihre entspannte Haltung beruhigte mich. Wir schienen unsere Probleme in Moskau zurückgelassen zu haben, von wo wir jetzt schon fünftausend Kilometer entfernt waren.
    Kein Pfeifen kündigte die Abfahrt an, allein die Aufregung in der Menge ließ vermuten, dass es Zeit war einzusteigen. Ich hatte Mineralwasser und ein paar Piroggen gekauft, die ich allerdings allein essen musste. Keira hatte sich sofort wieder hingelegt und war eingeschlafen. Sobald meine Mahlzeit beendet war, ging auch ich zu Bett, und das regelmäßige Rattern der Drehgestelle wiegte mich in einen tiefen Schlaf.
    Es war zwei Uhr morgens Moskauer Zeit, als mich ein eigenartiges Geräusch an der Tür weckte. Jemand versuchte, sich Zutritt zu unserem Abteil zu verschaffen. Ich erhob mich, öffnete vorsichtig die Tür, doch es war niemand zu sehen, der Gang war ungewöhnlich leer. Selbst die Zugbegleiterin hatte ihren Posten am Samowar verlassen. Ich legte den Riegel erneut vor und beschloss, Keira zu wecken. Irgendetwas stimmte nicht. Sie schreckte hoch, doch ich legte ihr die Hand auf den Mund und bedeutete ihr aufzustehen.
    »Was ist?«, flüsterte sie.
    »Ich weiß es noch nicht, aber zieh dich schnell an.«

    »Wohin willst du?«
    Die Frage war nicht dumm. Wir befanden uns in einem sechs Quadratmeter großen Abteil, der Speisewagen war etliche Waggons entfernt, und die Vorstellung, mich dorthin zu begeben, behagte mir nicht. Ich leerte meinen Koffer aus, verteilte den Inhalt auf unsere Betten und zog die Decken darüber. Dann half ich Keira auf die Gepäckablage zu klettern, machte das Licht aus und folgte ihr.
    »Kannst du mir verraten, was das soll?«
    »Verhalt dich

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