Die erste Todsuende
Der Anblick seines eigenen Körpers im Spiegel erregte ihn. Er bekam eine Erektion, keine ganz volle, aber immerhin genug, daß es ihm ein zusätzliches Vergnügen bereitete. So stand er da und stieß seinen geschwollenen Stamm vor und immer wieder vor.
Ob er wohl wahnsinnig war? überlegte er. Und dann lachte er und dachte, das könnte sehr wohl sein.
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Am nächsten Morgen saß er gerade beim Frühstück in der Küche - ein kleines Glas Apfelsaft, eine Schale Haferflocken aus dem Reformhaus mit Magermilch und eine Tasse schwarzen Kaffee -als eine farblose Stimme in den Neun-Uhr-Nachrichten im Radio bekannt gab, gegen Mitternacht sei auf der 75th Street der Detective Third Grade Roger Kope ermordet worden. Kope sei erst vor vierzehn Tagen vom einfachen Polizisten zum Detective befördert worden und hinterlasse eine Frau und drei kleine Kinder. Der Stellvertretende Commissioner Broughton, der die Ermittlungen leite, habe erklärt, man verfolge verschiedene wichtige Spuren und hoffe, bald eine wichtige Erklärung abgeben zu können.
Daniel Blank stellte das schmutzige Geschirr in die Spüle, ließ heißes Wasser einlaufen und fuhr ins Büro.
Als er das Büro am Abend verließ, kaufte er die Nachmittagsausgabe der Post, warf jedoch nur einen flüchtigen Blick auf die Schlagzeile: „Auf der East-Side geht ein Mörder um!" Er nahm die Zeitung mit nach Hause und holte im Vorbeigehen unten am Tisch in der Halle seine Post ab. Noch im Aufzug riß er die Umschläge auf: zwei Rechnungen, ein Subskriptionsangebot für eine Illustrierte und der Winterkatalog von >Camper-Glück<.
Er machte sich einen Drink zurecht und wartete auf die Abendnachrichten. Die Berichterstattung über den Mord an Kope fiel enttäuschend kurz aus. Man sah eine Aufnahme vom Tatort, wie der Krankenwagen davonfuhr, und dann sagte der Fernsehreporter, die näheren Umstände des Todes von Detective Kope seien ähnlich wie bei den Morden an Frank Lombard und Bernard Gilbert, und die Polizei glaube, daß alle drei Verbrechen das Werk eines einzigen Täters seien. „Die Ermittlungen dauern an."
Später ging Blank zur 2nd Avenue hinüber und kaufte sich die Spätausgaben der News und der Times. Wieder zu Hause, machte er sich mit einer Mischung aus Überdruß und Beklemmung an die Lektüre der drei Zeitungen.
Am zutreffendsten, das mußte Blank zugeben, war der mit „Thomas Handry" signierte Bericht. Der Reporter zitierte einen „hohen Polizeibeamten, der gebeten hat, seinen Namen nicht zu nennen", und machte unmißverständlich klar, daß alle drei Morde von ein und demselben Mann begangen worden seien und daß es sich bei der Tatwaffe um ein „axtähnliches Gerät mit langer, spitz zulaufender Pinne" handelte. In den anderen Zeitungen wurde die Waffe als „eine kleine Picke oder etwas Ähnliches" bezeichnet.
Bei dem Versuch, eine Erklärung zu finden, wieso ein Lockvogel der Polizei, ein erfahrener Beamter, von hinten erschlagen werden konnte, zitierte Handry gleichfalls seinen anonymen Informanten: „Es wird vermutet, daß der Angreifer sich seinem Opfer von vorn näherte, das Bild eines harmlos lächelnden Fußgängers bot und dann, als er an ihm vorüberging, herumfuhr und ihn niederschlug. Die Waffe hielt der Angreifer wahrscheinlich in einer zusammengefalteten Zeitung oder aber unter seinem Mantel verborgen. Zwar ist Bernard Gilbert an einer Wunde gestorben, die ihm von vorn beigebracht wurde, doch die bei der Ermordung von Kope angewandte Methode hat viel Ähnlichkeit mit dem Vorgehen bei der Ermordung Frank Lombards."
Handrys Bericht endete mit der Behauptung, sein Informant fürchte, es würde noch zu weiteren Überfällen kommen, falls der Mörder nicht gefaßt wird. Eine andere Zeitung sprach von einem noch nie dagewesenen Einsatz von Kriminalbeamten, und im dritten Blatt hieß es, man überlege ein allgemeines Ausgehverbot im Bereich des 251. Reviers.
Heftig schob Blank die Zeitungen von sich. Es machte ihm zu schaffen, daß in dem Handry-Bericht von einer „axtähnlichen Waffe" die Rede war. Die Polizei schien also genau zu wissen, um was für eine Waffe es sich handelte, wollte dieses Wissen aber nicht zugeben. Er glaubte nicht, daß sie den Kauf des Eispickels bis zu ihm zurückverfolgen könnte; sein Eispickel war fünf Jahre alt, überall auf der Welt wurden Jahr für Jahr Hunderte davon verkauft. Aber der Bericht war ein Hinweis darauf, daß er klug daran täte, die Herausforderung, der er sich gegenübersah, nicht zu
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