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Die erste Todsuende

Die erste Todsuende

Titel: Die erste Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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sie nur wenige Worte. Einmal spießte sie eine dünne Scheibe Hammelfleisch auf und schob sie ihm in den Mund. Aber ihre freie Hand ruhte immer auf seinem Arm, oder auf seinen Knien, oder strich das lange schwarze Haar zurück, so daß der flaschengrüne Atlasstoff sich über ihren vorstehenden Brustwarzen spannte. Einmal, sie waren gerade bei Kognak und Kaffee, schlug sie die Beine übereinander, und ihr Kleid rutschte hoch; das Fleisch ihrer Oberschenkel war vollkommen weiß und glatt und schimmerte. Er mußte unwillkürlich an Muscheln denken und englische Seezunge.
    „Mögen Sie die Oper?" fragte sie auf ihre abrupte Weise.
    „Nein", gestand er wahrheitsgemäß. „Nicht besonders. Sie ist so... so gewollt."
    „Ja", pflichtete sie ihm bei. „Das ist sie schon. Gekünstelt. Aber das ist nur ein Kunstgriff: ein dünner Kleiderbügel aus Draht, und an ihm hängt man die Stimme auf."
    Dumm war er nicht, und während sie neben ihm saß, wurde er sich ihrer vorsichtigen Bewegungen bewußt - wie sie ihn streifte, sich zu ihm herüberbeugte, ihr Haar plötzlich liebkosend über seine Wangen streichen ließ - das war aufschlußreich, gehörte zu ihrem Ballett. Was sie tat, war gekonnt. Er ahnte zwar nicht, welche Rolle in diesem Tanz er spielen sollte, aber er wollte sie gut spielen.
    „Die Stimmen", fuhr sie fort, „diese machtvollen Stimmen, die mir immer das Gefühl von unterdrückter Kraft geben. Bei manchen Sängern spüre ich, daß in ihnen eine Kunst und eine Kraft liegen, die überhaupt noch nicht geweckt worden sind. Ich hab dann das Gefühl, wenn sie sich einmal wirklich losließen, dann könnten sie Trommelfelle zum Platzen und bunte Kirchenfenster zum Zerspringen bringen. Die besten von ihnen könnten, wenn sie einmal alle Hemmungen ablegten, die ganze Welt zum Einsturz bringen. Sie zertrümmern und die einzelnen Brocken sausend ins All hinausschicken."
    Ihre Monologe flößten ihm ein Unterlegenheitsgefühl ein, Wein und Kognak hingegen Mut.
    „Warum um alles in der Welt erzählen Sie mir das alles?" wollte er wissen.
    Sie neigte sich näher zu ihm und drückte eine atlasüberspannte Brust gegen seinen Arm.
    „Es ist das gleiche Gefühl, das auch Sie mir einflößen", flüsterte sie. „Daß Sie die Kraft und die Entschlossenheit haben, die Welt zu zerschmettern!"
    Er sah sie an und begann zu ahnen, worauf sie hinauswollte und wie seine Zukunft aussehen würde. Er wollte fragen: „Warum ausgerechnet ich?", fand dann jedoch zu seiner Überraschung, daß das nicht wichtig sei.
    Die Party bei Mortons brachte Bewegung in ihren schwerblütigen Abend. Florence und Samuel, beide in Spitzenanzügen aus rotem Samt, schüttelten ihnen an der Tür mit dem verständnisinnigen Schmunzeln der erfolgreichen Kuppler die Hand.
    „Kommt rein!" rief Flo.
    „Es ist eine fabelhafte Party!" rief Sam.
    „Zwei liegen sich schon in den Haaren!" Flo lachte.
    „Und einer heult Krokodilstränen!" Sam lachte.
    Auf der Party ging es hoch her; jeder war entschlossen, das seine beizutragen. Blank verlor Celia in diesem wirren Wirbel, und in den nächsten Stunden lernte er ein Dutzend Männer und Frauen kennen, die sich einfach treiben ließen, und hörte ihnen zu; sie schwebten heran, stießen zusammen und trieben wieder auseinander. Ihm stand ein schreckliches Bild vor Augen: Abfall in einem Hafenbecken, der auf dem Wasser tanzte, langsam durcheinanderwirbelte, hereingetrieben und vom Meer wieder weggespült.
    Plötzlich war sie hinter ihm, fuhr mit den Händen unter sein Jackett und grub ihre Nägel in sein nur durch das Hemd geschütztes Fleisch.
    „Ahnen Sie, was heute um Mitternacht passiert?" flüsterte sie.
    „Was?"
    „Da nehmen alle die Gesichter ab - wie Masken. Und wissen Sie, was darunter ist?"
    „Was?"
    „Das Gesicht. Immer und immer wieder."
    Sie entschlüpfte ihm; er war viel zu verblüfft, als daß er sie hätte festhalten können. Er wünschte, er könnte nackt vor einem Spiegel stehen und sich vergewissern.
    Endlich, endlich tauchte sie wieder auf und zog ihn mit sich fort. Sie winkten Gastgeber und Gastgeberin zu und traten schwer atmend auf den stillen Korridor hinaus. Im Aufzug warf sie sich in seine Arme, biß ihm ins linke Ohrläppchen, als er „Oh!" sagte und der Lautsprecher „My Old Kentucky Home" dudelte. Er war krank vor Begierde und wußte doch, daß das, worauf er sich einließ, gefährlich und unvernünftig war. Er schwankte; es gab hier weder Felshaken noch Eispickel.
    Valenter war es, der

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