Die erste Todsuende
(Sollte er „Celia" zu ihr sagen oder „Miss Montfort"?)
„Gut. Und Ihnen?"
„Bestens. Sie sagten, ich dürfe Sie anrufen."
„Ja."
„Sind Sie außerhalb von New York gewesen?"
„Außer Landes sogar. In Samarra."
„Ach?" sagte er in der Hoffnung, daß sie das geistreich fände, „Treffpunkt in Samarra?"
„So etwas Ähnliches."
„Wo liegt Samarra eigentlich genau?"
„Im Irak. Ich war nur einen Tag da. Eigentlich bin ich ja zu meinen Eltern geflogen. Sie sind im Augenblick in Marrakesch."
„Wie geht es ihnen denn?" erkundigte er sich höflich.
„Wie immer", sagte sie mit der modulationsschwachen Stimme. „Sie haben sich in den letzten dreißig Jahren kaum verändert. Seit..." Ihre Stimme verklang.
„Seit was?"
„Seit dem Zweiten Weltkrieg. Der hat ihre Pläne zunichte gemacht."
Sie sprach in Rätseln, aber er wollte nicht aufdringlich sein.
„Morgen abend", sagte er verzweifelt, „geben Mortons eine Cocktail-Party. Wir sind eingeladen. Ich würde gern vorher mit Ihnen essen gehen. Die Party beginnt so gegen zehn Uhr."
„Ja", sagte sie sofort. „Seien Sie um acht hier. Wir werden etwas trinken und dann essen gehen. Und hinterher gehen wir auf die Party bei Mortons."
Er wollte „Danke schön" oder „Wunderbar" sagen, „Ich freue mich schon darauf", oder „Bis bald", doch sie hatte bereits aufgelegt. Er starrte auf den toten Hörer in seiner Hand.
Am nächsten Tag, einem Freitag, ging er vorzeitig aus dem Büro nach Hause, um sich auf den Abend vorzubereiten. Er überlegte hin und her, ob er ihr Blumen schicken solle, beschloß dann jedoch, es nicht zu tun. Die beste Art des Vorgehens, fand er, wäre wohl, sie so lange behutsam und bedächtig zu umkreisen, bis er sich in ihrem Geschmack und ihren Vorurteilen auskannte.
Er machte sehr sorgfältig Toilette, rasierte sich, obgleich er sich morgens bereits rasiert hatte, benutzte ein Toilettenwasser für Frauen (Je Reviens, ein Duft, der ihn erregte), zog französische Unterwäsche an (sehr knappe weiße Nylonhosen) und ein seidenes Hemd mit einem Muster aus weißen und blauen Karos. Die breite Krawatte war unaufdringlich gemustert und kastanienbraun, der Anzug ein Einreiher aus marineblauem Uniformstoff. Zusätzlich zur Armbanduhr und den Manschettenknöpfen steckte er noch einen schweren goldenen Ring an den rechten Zeigefinger und streifte ein Armband aus goldenen Kettengliedern locker über das rechte Handgelenk. Dazu trug er seine „Via Veneto"-Perücke.
Er brach frühzeitig auf, weil er zu Fuß zu ihrer Wohnung gehen wollte. Der Weg war nicht weit, der Abend angenehm.
Sein weiter schwarzer Mantel war aus leichtem englischen Gabardine gearbeitet, hatte Raglanärmel, eine Knopfleiste und Taschen ohne Patten. Nach englischer Mode hatten die Taschen noch einen Schlitz, der dem Träger erlaubte, bei geschlossenem Mantel in Hosen- oder Jackentaschen zu greifen, um Fahrkarte, Geldbörse, Schlüssel, Kleingeld oder Ähnliches hervorzuholen.
Jetzt, da er in der schwefelgeschwängerten Nacht Celia Montforts Wohnung zustrebte, befühlte sich Daniel Blank durch den Taschenschlitz. Für die Vorübergehenden war es ein eleganter Herr, der die Hand lässig in der Manteltasche stecken hatte. Doch unterm Mantel...
Einmal, kurz nach seiner Trennung von Gilda, war er in diesem Mantel an einem Samstagabend über den Times Square spaziert und hatte sein Glied unter dem weichen Mantel in der Hand gehalten, während er durch die Menge ging und den Vorübergehenden ins Gesicht sah.
Celia Montfort wohnte in einem vierstöckigen Stadthaus. Die Klingel war ein Glockenzug - ein Messingknauf, den man herauszieht und dann losläßt. Daniel Blank sah dergleichen zum erstenmal. Er bewunderte das blanke Messing und die Haustür aus Teakholz, die von einem überraschend großen Mann aufgemacht wurde, der blaß und dünn war und gestreifte Hosen zu einer glänzenden Alpaka-Jacke trug, mit einer rosa Rose im Knopfloch. Daniel fiel ein besonderer Duft auf — nicht sein eigener, sondern ein schwerer, fruchtiger Duft.
„Mein Name ist Daniel Blank", sagte er. „Ich glaube, Miss Montfort erwartet mich."
„Sehr wohl, Sir", sagte der Mann, der stark lispelte, und hielt die Tür weit auf. „Ich heiße Valenter. Treten Sie ein!"
Es war eine imposante Halle: Marmorfußboden, von dem eine schöne Treppe schwungvoll nach oben führte. Auf einem schlanken Piedestal stand eine Kristallvase mit kirschfarbenen Chrysanthemen. Sie schien langstielige Blumen zu
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