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Die erste Todsuende

Die erste Todsuende

Titel: Die erste Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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ihnen die Tür öffnete: Die rosa Rose war welk geworden. Sein Gesicht schimmerte wie ein blankgescheuerter Eisentopf, die Lippen sahen aus, als hätte er einen Bluterguß darin. Vor dem Kamin servierte er schwarzen Kaffee. Sie saßen auf dem Ledersofa und starrten in die Glut.
    „Haben Sie sonst noch einen Wunsch, Miss Montfort?"
    Sie schüttelte den Kopf, und er zog sich lautlos zurück; Daniel Blank brachte es nicht über sich, ihn anzusehen. Was, wenn Valenter ihm zugezwinkert hätte?
    Celia verließ das Zimmer und kam mit zwei Schnapsgläsern und einer halbvollen Flasche Schnaps wieder.
    „Was ist das?" fragte er.
    „Eine Art Branntwein", sagte sie und setzte sich wieder. „Aus Burgund, glaube ich. Wird aus den Trestern gebrannt. Sehr stark."
    Sie schenkte ein Glas voll, und bevor sie es ihm reichte, sah sie ihm tief in die Augen und fuhr dabei mit ihrer langen roten Zunge um den Rand des Glases. Er nahm es entgegen und nippte dankbar daran.
    „Ja", sagte er und nickte. „Sehr stark."
    „Diese Leute heute abend", sagte sie. „Wie inkonsequent sie sind. Die meisten von ihnen sind doch intelligent, aufgeweckt und talentiert. Aber es fehlt ihnen einfach an der Gelegenheit. Sich ganz auszuliefern, meine ich. An etwas Wichtiges und Umwerfendes. Dabei sehnen sie sich mehr danach, als sie ahnen. Sich hinzugeben. An was? An den Umweltschutz, Kindertagesheime oder Rassengleichheit? Sie spüren, daß es um etwas geht, was darüber hinausreicht. Und Gott ist tot. Daher... der Lärm und die Hysterie. Fänden sie nur..."
    Ihre Stimme verklang. Er sah auf.
    „Wenn sie was fänden?" fragte er.
    „Ach", sagte sie, einen unbestimmten Ausdruck in den Augen. „Sie wissen schon."
    Sie erhob sich von dem Sofa. Als er sich gleichfalls erhob, trat sie unerwartet ganz dicht an ihn heran, hob die Hand und zog behutsam das untere Lid seines rechten Auges herunter. Unverwandt betrachtete sie den bloßgelegten Augapfel.

    „Was?" fragte er. Er wußte nicht, was er davon halten sollte.
    „Sie sind nicht inkonsequent", sagte sie, faßte ihn bei der Hand und führte ihn nach oben. „Kein bißchen."
    Benommen vom Alkohol und all dem Unerwarteten, das ihm widerfuhr, folgte er ihr widerspruchslos. Sie stiegen die hübsche Marmortreppe bis zum ersten Stock hinauf, gingen dort durch eine schäbige Holztür und stiegen dann noch zwei abgetretene hölzerne Stiegen hinauf, die von Spinnweben verhangen waren, welche ihm den Mund küßten.
    „Was ist das?" fragte er einmal.
    „Dort oben lebe ich", entgegnete sie, drehte sich plötzlich um, griff, da sie höher stand als er, hinunter und drückte seinen Kopf gegen das kühle Atlasgewebe zwischen Bauch und Schenkeln.
    Es war eine Geste, die über das Obszöne weit hinausging und ihn auf diesen staubigen Treppenstufen zitternd in die Knie gehen ließ.
    „Ruh dich einen Augenblick aus", sagte sie.
    „Ich bin Bergsteiger", sagte er, und ihr geflüsterter Wortwechsel kam ihm so albern vor, daß er ein kurzes, bellendes Lachen ausstieß, das von den gleichgültigen Wänden zurückgeworfen wurde. „Was?" fragte er noch und wußte es doch die ganze Zeit über.
    Es war eine kleine Kammer mit rohen Holzwänden, flüchtig verputzt und von weißen Streifen überzogen wie von den Krallenspuren eines wilden Tieres, das verzweifelt an den Wänden gekratzt hatte, um zu entfliehen. Es stand nur eine flache Eisenbettstelle mit geflochtenen Blechstreifen darin, über die eine dünne Matratze geworfen war, deren gestreifter grauer Drillich Flecken und Brandstellen aufwies.
    Außerdem war noch ein Küchenstuhl da, mehrfach übermalt und so zerschrammt, daß an den abgesplitterten Stellen ein Dutzend Farben sichtbar waren. Von einer staubigen Strippe hing eine nackte orangefarbene Glühbirne herab.
    Der Fußboden war mit abgewetztem Linoleum bedeckt, durch dessen Muster der schwarze Untergrund sichtbar war. Der rahmenlose Spiegel an der Innenseite der Tür war trüb und wies Sprünge auf. Der eiserne Aschenbecher auf dem Boden neben der Pritsche quoll von kalten Kippen über. Es roch modrig nach Meltau und abgestandener Liebe.
    „Schön!" sagte Daniel Blank und sah sich mit großen Augen um. „Eine richtige Bühnenkulisse. Jeden Augenblick könnte jetzt eine Wand beiseite geschoben werden, und dann ist das Publikum da und klatscht höflich. Wie geht mein Text?"
    „Nimm deine Perücke ab!" sagte sie.
    Er tat es, stand neben der Pritsche, die Perücke unbeholfen in beiden Händen, als bringe er ihr ein

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