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Die erste Todsuende

Die erste Todsuende

Titel: Die erste Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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lieben.
    „Bitte, warten Sie im Arbeitszimmer. Miss Montfort wird gleich herunterkommen."
    Hut und Mantel wurden ihm abgenommen und irgendwo weggehängt. Dann führte der hagere Mensch ihn in ein eichengetäfeltes Zimmer mit vielen ledergebundenen Büchern.
    „Möchten Sie etwas trinken, Sir?"
    Das Feuer im kachelverzierten Kamin erzeugte flimmernde Reflexe auf dem glänzenden Leder eines troddelverzierten Sofas. Auf dem Kaminsims überraschte das wunderschön und mit allen Einzelheiten nachgebildete Modell eines Walfangschiffes aus New England. Kaminrost und Schüreisen aus schwarzem Metall mit Messinggriffen.
    „Ja danke, gern. Einen Wodka-Martini mit Eis."
    Schwere Brokatvorhänge, Brücken aus... woher? Aus dem Orient nicht. Aus Griechenland vielleicht? Oder der Türkei? Chinesische Vasen mit Blütenzweigen darin. Ein kassettierter indischer Paravent mit Darstellungen merkwürdiger und aufregender Gestalten. Ein silberner Cocktail-Shaker aus der Prohibitionszeit. 1927 oder 1931 mußte dieser Raum eingefroren sein.
    „Mit einer Olive, Sir, oder mit einem Tropfen Zitrone?"
    Eine Ahnung von Weihrauch lag in der Luft. Hohe Decke, und zwischen den dunkel gebeizten Balken gemalte Putten mit Grübchen auf den Pobacken. Türen und Fensterrahmen aus Eiche. Die Bronzestatuette einer nackten, bogenschießenden Nymphe. Die „Saite" bildete ein verbogener Draht.
    „Mit Zitrone, bitte."
    Jugendstilspiegel an der tapezierten Wand. Kleiner Olakt von einer Brünetten in mittleren Jahren, die sich das Kinn hielt und auf ihre Hängebrüste mit den verschwommenen Brustwarzen hinunterblinzelte. Zinnbehälter mit verstaubten Rhododendronblättern darin. In einem schwarzen Ledersessel mit hohen, weit ausgreifenden Ohrenbacken der schönste Knabe, den Daniel Blank je gesehen hatte.
    „Hallo", sagte der Knabe.
    „Hallo!" Er lächelte steif. „Ich bin Daniel Blank. Sie müssen Anthony sein.
    „Tony."
    „Tony."
    „Darf ich Sie Dan nennen?"
    „Klar."
    „Können Sie mir zehn Dollar leihen, Dan?"
    Blank erschrak und sah ihn sich genauer an. Der Bursche hatte die Knie hochgezogen, umklammerte sie mit den Armen und hatte den Kopf auf die Seite gelegt.
    Seine Schönheit war so unirdisch, daß sie zum Fürchten war. Klare, arglose blaue Augen, scharf geschnittene Lippen, die Ohren wie gemeißelt, ein ansprechendes Lächeln, Locken so lang, daß sie das Gesicht und den wohlgeformten Hals umrahmten. Und eine Aura um den Knaben, so rosig wie die Putten, die ihm zu Häupten schwebten.
    „Es ist entsetzlich, nicht wahr?" sagte der Junge, „einen Wildfremden um zehn Dollar anzugehen, aber ehrlich gesagt..."
    Blank war augenblicklich auf der Hut und sah nicht nur genau hin, sondern hörte auch aufmerksam zu. Nach seiner Erfahrung war jemand, der sagte: „... ehrlich gesagt..." oder „... würde ich Sie etwa belügen?" entweder ein Lügner, ein Betrüger oder beides.
    „Ich habe nämlich eine einfach hinreißende Jadespange gesehen. Celia würde sich bestimmt wahnsinnig darüber freuen", log der Knabe kühn.
    „Selbstverständlich", sagte Blank und holte einen Zehndollarschein aus dem Portemonnaie. Der Junge machte keinerlei Anstalten, auf ihn zuzugehen, also sah Blank sich genötigt, das ganze Zimmer zu durchqueren und ihm das Geld zu bringen.
    „Vielen, vielen Dank", sagte der Jüngling matt. „Am Ersten bekomme ich Taschengeld, und dann geb ich es zurück."
    Er zahlte dabei schon - Blank machte sich da nichts vor - alles, was er jemals zurückzahlen würde: mit einem strahlenden Lächeln von solcher Schönheit und so voll von jugendlichem Versprechen, daß Daniel ganz verwirrt war vor Verlangen. Die Situation wurde durch Valenters Eintreten gerettet, der den Martini nicht auf dem Tablett präsentierte, sondern das Glas in der Hand trug. Als Blank es ihm abnahm, berührten seine Finger die Valenters. Der Abend erwies sich bereits als sehr verwirrend.
    Sie kam ein paar Augenblicke später herein und trug ein Abendkleid, das genauso geschnitten war wie das schwarze, das sie angehabt hatte, als er sie kennenlernte. Nur war dies hier von einem dunklen, schimmernden Flaschengrün. Um ihren Hals hing eine schwere mattsilberne Kette mit dem Bildnis einer Tiergottheit. Mexikanisch, vermutete Blank.
    „Ich habe mich in Samarra mit einem Dichter getroffen", sagte sie bereits, als sie durch die Tür kam und ruhig auf ihn zuging. „Früher habe ich selber Gedichte geschrieben. Habe ich Ihnen das schon erzählt? Nein? Jetzt nicht mehr. Zwar

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