Die erste Todsuende
kleines, totes Tier.
Sie kam näher und liebkoste seinen rasierten Schädel mit beiden Händen.
„Gefällt dir diese Kammer?" fragte sie.
„Hm - es ist nicht gerade das, was ich mir unter einem Liebesnest vorstelle."
„Oh, es ist aber auch mehr als das. Viel mehr. Leg dich hin!"
Übertrieben vorsichtig und nicht ohne einen gewissen Ekel setzte er sich auf die fleckige Matratze. Sanft drückte sie ihn zurück. Er starrte die nackte Glühbirne an, die eine Aura um sich zu haben schien, einen schimmernden Kranz aus einer Million funkelnder feinster Teilchen, die pulsierten, sich zusammenzogen, sich ausdehnten, bis sie den ganzen Raum ausfüllten.
Und dann, fast ehe er überhaupt merkte, daß es angefangen hatte, bearbeitete sie ihn. Er konnte es einfach nicht fassen, daß diese intelligente, ernste, zurückhaltende Frau all dies mit ihm anstellte. Angst schoß ihm in die Glieder, und er murmelte protestierend ein paar Worte. Aber ihre Stimme war sanft und beruhigend. Nach einer Weile lag er einfach da, hielt die Augen geschlossen und ließ sie tun, was sie wollte.
„Schrei, wenn dir danach ist", sagte sie. „Kein Mensch kann es hören."
Er biß jedoch die Zähne aufeinander und glaubte, vor Lust sterben zu müssen.
Als er die Augen aufschlug, sah er sie nackt neben sich liegen, ihr langer weißer Körper so schlaff wie ein aufgeschlitzter Fisch. Mit geübten Fingern schickte sie sich an, ihn auszuziehen... machte Knöpfe auf... zog Reißverschlüsse herunter... zog so behutsam an seinem Zeug, daß er sich kaum zu rühren brauchte...
Und dann benutzte sie ihn, benutzte ihn, und ihm dämmerte allmählich, was ihm beschieden sein könnte. Die Angst schwand in einer Art sexueller Schwäche, wie er sie noch nie erlebt hatte; ihre kräftigen Hände zerrten an ihm, und ihre trockene Zunge fuhr über seine glühende Haut wie ein Reibeisen.
„Bald", versprach sie, „bald."
Einmal verspürte er einen so heftigen und so süßen Schmerz, daß er glaubte, sie hätte ihn umgebracht. Ein andermal hörte er sie lachen: ein dickquellendes, gurgelndes Geräusch. Einmal schlang sie ihr glattes schwarzes Haar um ihn, knotete eine Schlinge daraus und zog sie zu.
Es ging endlos weiter, sein Wille verflüchtigte sich, ein großes Gewicht fiel von ihm ab, und er war bereit, jeden Preis zu zahlen. Das war Bergsteigen: Sendung, Gefahr, Erhabenheit. Und schließlich: der Gipfel.
Später erforschte er ihren Körper und sah - zum erstenmal -daß sie die Achseln nicht ausrasiert hatte. In den feuchten, parfümierten Härchen unter ihrem linken Arm entdeckte er eine eigenartig gemusterte kleine Tätowierung.
Noch später dämmerten sie, die verschwitzen Arme umeinander geschlungen, bei ausgeknipstem Licht dahin; er wurde halb wach und spürte, daß noch jemand im Raum war. Die Tür zum Flur stand ein wenig offen. Durch verschwollene Lider sah er jemand stumm am Fußende der Pritsche stehen und auf ihre verschlungenen Glieder herniederstarren.
Im dämmerigen Licht hatte Daniel Blank den verschwommenen Eindruck von etwas Nacktem oder Weißgekleidetem. Er hob den Kopf und stieß einen zischenden Laut aus. Die Erscheinung verschwand. Langsam schloß sich die Tür, und er blieb allein mit ihr in der schaurigen Kammer zurück.
5
Eines Nachts, als er nackt und allein zwischen den Laken lag, sann Daniel Blank darüber nach, ob diese Welt nicht womöglich der Traum einer anderen Welt sei. Es war immerhin denkbar: irgendwo ein anderer Planet, von gefühlsbegabten Lebewesen höherer Intelligenz bewohnt, die zum Spaß einen gemeinsamen Traum träumten. Und die Erde war dieser Traum, angefüllt mit Phantasien, Groteskem, Bösem — all den irrationalen Dingen, die sie in ihrem täglichen Leben verdrängten, denen sie sich jedoch im Schlaf zuwandten, um zu entspannen. Aus Spaß.
Dann sind wir alle Schall und Rauch, sind wir Geschöpfe der Mitternachtsvisionen einer anderen Welt, gehen wir so unlogisch durch das Leben wie in einem x-beliebigen Traum - und genauso realistisch. Wir existieren nur im Schlummer eines Fremden, und wenn er erwacht und über das verworrene, verrückte Geschehen, das sein Schlaf ersonnen, lächelt, ist das unser Tod.
Es wollte Blank scheinen, als ob sein Dasein, seit er Celia Montfort kennengelernt, das Wesen eines Traums angenommen habe, das nebelhafte Wesen eines Traums, in dem es bisweilen wild und grell aufblitzte. Sein Leben war etwas unendlich Veränderbares geworden, und kurz bevor er selbst in seinen
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