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Die erste Todsuende

Die erste Todsuende

Titel: Die erste Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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sie an, wie sie lächelnd dalag. Doch ihr Aussehen versetzte ihm einen Stich. Wie dünn sie war! Schläuche und Behälter waren zwar fort, und ihr Gesicht war mit der vertrauten Fieberröte Übergossen, doch wirkte sie herzzerreißend gebrechlich.
    Sie, die immer so aktiv, stark und vital gewesen war... Jetzt lag sie schlaff da und schien Mühe zu haben, Atem zu holen. Die Hand, die er nicht umschlossen hielt, zupfte kraftlos an der Wolldecke herum.
    „Edward, ißt du auch richtig"
    „Selbstverständlich."
    „Hältst du dich an deine Diät?"
    „Ich schwöre es."
    „Und wie steht's mit dem Schlafen?"
    „Geht einigermaßen. Hör zu, Barbara, ich möchte dir etwas erzählen..."
    „Ist was passiert? Mit den Kindern?"
    „Den Kindern geht es gut. Es hat nichts mit ihnen zu tun. Aber ich müßte wohl so eine Stunde einfach erzählen, vielleicht noch länger. Das strengt dich doch nicht zu sehr an, oder?"
    „Selbstverständlich nicht, Dummerchen. Ich hab doch den ganzen Tag geschlafen. Ich merke ja, wie aufgeregt du bist. Was ist denn?"
    „Hm... vor vier Tagen — genauer gesagt, in der Nacht nach deiner Operation - ist in meinem Revier ein Mord passiert."
    So genau und vollständig, wie es ihm möglich war, beschrieb er ihr Entdeckung und Aussehen von Frank Lombards Leiche. Dann versuchte er ihr klarzumachen, wie wichtig es angesichts der öffentlichen Kritik an der Polizei war, den Fall Lombard möglichst bald aufzuklären, daß aber ausgerechnet die Umorganisierung der Kriminalpolizei die Bearbeitung des Falles erschwerte. Dann berichtete er von dem Gespräch unter vier Augen mit dem Stellvertretenden Commissioner Broughton.
    „Das scheint ja ein grauenhafter Mensch zu sein", unterbrach sie ihn.
    „Ja... Aber wie dem auch sei, am nächsten Tag habe ich meine Versetzung in den Ruhestand beantragt."
    „Edward! Das kannst du doch nicht!"
    „Doch. Ich wollte mehr Zeit für dich haben. Als ich den Antrag stellte, war ich fest davon überzeugt, das Richtige zu tun. Inzwischen aber ist folgendes passiert."
    Er berichtete von dem Treffen mit Thorsen und Johnson. Setzte ihr haarklein den Plan auseinander, daß er, Delaney, im Mordfall Lombard völlig unabhängig Ermittlungen anstellen sollte, um Broughton unschädlich zu machen. Während er redete, merkte er, wie Leben in Barbara kam. Sie stützte sich auf einen Ellbogen und lehnte sich mit leuchtenden Augen vor. Sie war die Politikerin in der Familie und hörte nichts lieber als Erzählungen und Klatsch über innerpolizeiliche Auseinandersetzungen, über die Intrigen und Zänkereien ehrgeiziger Männer und Cliquen.
    Delaney erzählte ihr, daß er eine schriftliche Weisung seiner Vorgesetzten verlangt habe, ehe er mit den Nachforschungen begann.
    „Barbara, glaubst du, das war klug gehandelt?"
    „Du hast genau das Richtige getan", sagte sie sofort. „Ich bin stolz auf dich. Im Behördendschungel heißt doch das erste Gesetz: 'Rette die eigene Haut!'"
    Dann erzählte er ihr von dem Brief des Commissioner, daß man ihn unbefristet beurlaubt habe, und von der letzten Unterhaltung mit Thorsen.
    „Ich bin froh, daß du Dorfman vorgeschlagen hast." Sie nickte glücklich. „Ich mag ihn. Und ich finde, er verdient es, eine Chance zu bekommen."
    „Ja. Der Haken ist nur: Wie bestellt man einen Lieutenant auch nur zum kommissarischen Leiter eines Reviers! Und selbstverständlich kann man ihn nicht plötzlich befördern, ohne daß Broughton Lunte riecht. Nun ja... wollen mal sehen, was passiert. Inzwischen werde ich bis morgen Kopien sämtlicher Berichte des Sonderstabes bekommen."
    „Edward, es sieht aber so aus, als ob du kaum etwas hättest, woran du dich halten könntest."
    „Nein, viel ist es nicht. Thorsen sagt, bis jetzt habe auch die 'Kommission Lombard' nur Nieten gezogen. Weder gibt es die Beschreibung eines Tatverdächtigen, noch weiß man, wie er gemordet hat und warum."
    „Du sagst 'er'. Könnte es denn nicht auch eine Frau sein?"
    „Schon möglich, aber die Wahrscheinlichkeit spricht dagegen. Frauen töten mit der Pistole, dem Messer oder Gift. Daß sie jemanden niederschlagen, kommt höchst selten vor. Und wenn doch, dann schläft das Opfer für gewöhnlich gerade."
    „Dann fängst du also wirklich bei Null an?"
    „Hm... Ich habe zwei Anhaltspunkte. Viel geben sie nicht her, und ich nehme an, Pauley hat sie auch. Lombard war ein großer Mann. Ich schätze so um die einsachtzig. Jetzt paß mal auf..." Delaney stand auf und sah sich im Krankenzimmer um,

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