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Die erste Todsuende

Die erste Todsuende

Titel: Die erste Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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Tonbandprotokollen, unterschriebenen Aussagen usw. Hinzu kamen in einem besonderen Umschlag noch über dreißig Fotos: Lombard lebend und tot, seine Frau, seine Mutter, seine beiden Brüder, Geschäftsfreunde und politische Freunde, persönliche Freunde. Der Tote und seine Frau hatten keine Kinder.

    Captain Delaney, den diese Fülle von Material beeindruckte und dem aufging, mit welchem Druck der Sonderstab arbeitete, machte sich daran, die Dokumente in großen gelben Aktendeckeln zu ordnen, auf denen stand: „Beweismaterial", „Lebensgeschichte", „Familie", „Beruf" (Lombard war Teilhaber einer Brooklyner Anwaltsfirma gewesen), „Politik" und „Verschiedenes".
    Es kostete ihn beinahe zwei Stunden, eine wenigstens oberflächliche Ordnung in das Material zu bringen. Danach mixte er sich einen Whisky-Soda, legte die Füße auf den Schreibtisch und machte sich an die Lektüre. Gegen zwei Uhr morgens hatte er alle Berichte gelesen und alle Fotos angesehen. Wenn man sich auf den ersten Eindruck verlassen konnte, dann hatte Ivar Thorsen schon recht: Es gab nichts, woran man sich halten konnte - keine Spur, keine Anhaltspunkte, keine schwachen Stellen - nur die große Frage, wer Frank Lombard umgebracht hatte.
    Er machte sich daran, das Material noch ein zweites Mal durchzulesen, ließ sich jedoch diesmal mehr Zeit und machte sich auf einem Block Notizen. Außerdem legte er einige Papiere beiseite, um sie hinterher ein drittes Mal durchzusehen. Die Morgendämmerung kroch schon durch die Fenster seines Arbeitszimmers, als er den letzten Aktendeckel zumachte. Er stand auf, streckte sich, gähnte, stemmte die Hände in die Seite und beugte den Oberkörper so weit nach hinten, bis seine Wirbelsäule krachte.
    Dann ging er in die Küche und trank ein großes Glas Tomatensaft, in den er eine halbe Zitrone ausdrückte. In einer Thermoskanne machte er sich drei Tassen schwarzen Nescafe ohne Zucker und Sahne zurecht und trug ihn nebst einem trockenen, altbackenen Brötchen hinüber in sein Arbeitszimmer.
    Er vertiefte sich in seine Notizen, trank den Kaffee und las dabei zum drittenmal Dr. Sanford Fergusons medizinisches Gutachten durch. Es handelte sich um einen von Fergusons üblichen, sehr präzisen Befunden; zu dem acht Seiten langen Gutachten gehörten zwei Skizzen, eine zeigte die äußere Wunde in der tatsächlichen Größe, die andere einen im Profil wiedergegebenen Schädelumriß, aus dem Position und Form des Wundkanals genau zu erkennen waren. Dieser sah aus wie ein extrem in die Länge gezogenes gleichschenkliges Dreieck. Die äußere Wunde war fast kreisförmig und kaum größer als ein Vierteldollarstück.
    Der wesentliche Absatz in dem Bericht lautete folgendermaßen:
    „Der Schlag hatte eine tiefsitzende Wunde zur Folge, zerbrach rechts das Hinterhauptsbein, zerfetzte die Dura Mater und durchbohrte den Hinterhauptslappen. Das Auseinanderreißen des Kleinhirns hatte einen Blutsturz mit daraus resultierendem Bruch der Fossa Posterior und der vierten Hirn Ventrikel zur Folge. Das wiederum bewirkte eine akute Stauung im Stammhirn, die den Tod herbeiführte."
    Delaney machte sich noch etliche zusätzliche Notizen zu dem Autopsiebericht. Den Captain bewegten Fragen, von denen er wußte, daß sie nur in einem persönlichen Gespräch mit Ferguson beantwortet werden konnten. Wie er dem Arzt sein Interesse am Lombard-Mord klarmachen sollte, war ein Problem, mit dem er fertig werden mußte, wenn es soweit war.
    Seine anderen Notizen betrafen die Einvernahmen der Witwe, Mrs. Clara Lombard. Sie war fünfmal von drei verschiedenen Detektiven verhört worden. Delaney nickte anerkennend zu Pauleys professionellem Vorgehen.
    Auf Grund der Berichte konnte Delaney sich allmählich ein Bild machen. (Die ersten drei waren Abschriften von Tonbandaufnahmen.) Mrs. Clara Lombard schien eine leichtfertige, nicht sonderlich intelligente Frau zu sein, die sich alle Mühe gab, den Anschein zu erwecken, als sei sie völlig gebrochen von dem gewaltsamen Tod ihres Mannes; allerdings brachte sie es fertig, in kindliches Gelächter auszubrechen, anzügliche Bemerkungen zu machen, sich plötzlich nach Versicherungsgeldern zu erkundigen, Fragen zur Testamentseröffnung zu stellen, mit Schadensersatzforderungen an die Stadt New York zu drohen und mit ihrem Vernehmer neckisch zu flirten.
    Für all das interessierte Delaney sich nicht; sorgfältige Ermittlungen hatten ergeben, daß Clara Lombard zwar eine sehr gesellige Frau war, die -

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