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Die erste Todsuende

Die erste Todsuende

Titel: Die erste Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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entdeckte eine Illustrierte, nahm sie, rollte sie fest zusammen und packte sie am einen Ende. „Jetzt bin ich der Mörder mit einem Hammer, einem Stück Rohr, vielleicht einem langen, spitzen Eisen." Er hob die Illustrierte hoch über den Kopf und ließ sie grimmig herniedersausen. „Hast du achtgegeben? Ich werd's noch mal machen. Achte auf die Haltung meines rechten Arms." Wieder hob er die Illustrierte und tat, als teilte er einen tödlichen Hieb aus. „Was hast du gesehen?"
    „Dein Arm war nicht ganz ausgestreckt. Du hattest den rechten Arm gebogen. Die Spitze der Illustrierten ragte höchstens fünfzehn Zentimeter über deinen Kopf."
    „Genau. So würde jemand normalerweise zuschlagen. Wenn du einen Nagel einschlagen willst, hebst du auch den Arm nicht bis über den Kopf hinaus; man hält den Ellbogen eingeknickt, um besser zielen zu können. Man hebt den Hammer nur so hoch, bis man meint, ausreichend Kraft hinter den Schlag setzen zu können."
    „Ist Lombard mit einem Hammer erschlagen worden?"
    „Ferguson behauptet, nein. Es muß aber etwas gewesen sein, das mit genügender Kraft heruntersausen konnte, um sieben bis zehn Zentimeter tief in das Gehirn einzudringen. Ich habe Fergusons Bericht bis jetzt noch nicht gesehen."
    „Es gibt so viele Möglichkeiten."
    „Das kann man wohl sagen! Barbara, ermüdet dich das?"
    „Nein, bestimmt nicht! Du kannst jetzt nicht aufhören, Edward. Ich begreife die Bedeutung dessen nicht, was du mir eben gezeigt hast - daß ein Mann mit angewinkeltem Ellbogen zuschlägt."
    „Überleg doch mal, daß Lombard um die einsachtzig groß war. Wenn der Mörder die Waffe rund zwanzig Zentimeter über seinen Kopf hob - und das ist das Äußerste, was man tut, wenn man zuschlagen will - und das Loch in Lombards Hinterkopf sitzt, dann kann man annehmen, daß der Mörder etwa Lombards Größe hatte, vielleicht sogar noch ein paar Zentimeter größer war."
    „Du sprachst aber von zwei Dingen, Edward. Was ist das andere ? "
    „Hm... darauf bin ich an dem Morgen nach dem Mord gekommen. Während ich am Tatort war. Nur um meine eigene Neugier zu befriedigen, vermutlich. Woran ich am meisten zu knacken hatte, war, warum ein Mann von Lombards Größe und Körperkraft, der sich überdies der Gewaltverbrechen auf offener Straße derart bewußt war, zuließ, daß der Angreifer sich ihm mutterseelenallein auf mitternächtlicher Straße von hinten näherte und ihn niederschlug, ohne auch nur den geringsten Versuch zu machen, sich zu wehren. Und ich glaube, so hat es sich abgespielt..."
    Er spielte es ihr vor. Jetzt war er Lombard, der flott in seinem Mantel die Straße entlang ging, nach allen Seiten sichernd. „Dapn sehe ich von der York Avenue einen Mann auf mich zukommen. Auf mich zu!" Immer noch Lombard darstellend, spähte er nach vorn, ließ die näher kommende Gestalt nicht aus den Augen. Er verlangsamte seine Schritte, bereit, sich zu verteidigen oder davonzulaufen, falls Gefahr drohte. Doch dann lächelte er, beruhigt von dem Eindruck, den der Näherkommende machte. Er ging ein wenig beiseite, um den lächelnden Fremden vorbeizulassen, und dann...
    „Jetzt bin ich der Mörder", erklärte Delaney der mit großen Augen daliegenden Barbara. Er zog den Mantel aus, faltete ihn über den linken Arm und hielt darunter verborgen die zusammengerollte Illustrierte in der linken Hand. Der rechte Arm schwenkte hin und her, während er forsch durchs Krankenzimmer ging wie jemand, der es eilig hatte, in seine Wohnung zu kommen.
    Der Mörder nickte, als er an Lombard vorüberging. Dann griff die rechte Hand unter den Mantel nach der zusammengerollten Illustrierten. Gleichzeitig wirbelte er herum und stellte sich auf die Zehenspitzen. Jetzt war er hinter dem Opfer. Pfeifend sauste die Illustrierte nieder. Das Ganze dauerte knapp drei Sekunden.
    „Dann beuge ich mich..."
    „Du mußt ihn finden, Edward", rief Barbara. „Du mußt ihn finden, mußt ihn finden."
    Verwundert richtete Delaney sich auf, und der Haß in ihrer Stimme zerriß ihm schier das Herz. Er stürzte zu ihr, wollte sie beschwichtigen, doch gelang es ihm nicht. Er mußte nach der Schwester rufen. Barbara bekam eine Spritze. Sie schlief ein, und als er das Krankenhaus verließ, hörte er immer noch ihr bitteres „Du mußt ihn finden! Mußt ihn finden!" Er gelobte sich, es zu tun.

15
    Die Fotokopien der Berichte des Sonderstabes bildeten einen Stoß von nahezu fünfhundert Schreibmaschinenseiten, Formblättern, Fotokopien,

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