Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules
Frieden des Junggesellenlebens zu genießen, das würde die lieben Nachbarn keine Minute lang interessieren. Das Gerücht wächst und breitet sich aus, weil sie überzeugt sind, dass der Mord begangen wurde, damit der Mann eine andere Frau heiraten kann. Das ist elementarste Psychologie.«
Oldfield sagte gereizt:
»Ich bin nicht verantwortlich für das, was ein Pack verfluchter Klatschweiber denkt.«
»Natürlich nicht.«
Poirot fuhr fort:
»Also können Sie ebenso gut zurückkommen, sich setzen und die Frage, die ich Ihnen eben gestellt habe, beantworten.«
Langsam, fast widerstrebend, kam Oldfield zurück und setzte sich wieder an seinen Platz.
Er errötete bis unter die Haarwurzeln und sagte:
»Ich halte es für möglich, dass sie über Miss Moncrieffe geklatscht haben. Miss Moncrieffe ist meine Laborantin, ein prächtiges Mädchen.«
»Wie lange arbeitet sie schon für Sie?«
»Drei Jahre.«
»Hat Ihre Frau sie gemocht?«
»Hm – nicht gerade.«
»War sie eifersüchtig?«
»Es war so absurd!«
Poirot lächelte und entgegnete:
»Die Eifersucht der Gattin ist sprichwörtlich. Ich will Ihnen etwas sagen. Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass Eifersucht – mag sie noch so unmotiviert und übertrieben erscheinen – fast immer aus Tatsachen erwächst. Es gibt doch zum Beispiel die Redensart, dass der Kunde immer Recht habe, nicht? Nun, dasselbe kann man auch über die Eifersucht des Gatten oder der Gattin sagen. So klein das Beweismaterial auch sein mag, im Grunde haben sie immer Recht.«
»Unsinn«, entgegnete Dr. Oldfield. »Ich habe Jane Moncrieffe nie etwas gesagt, das meine Frau nicht hätte hören dürfen.«
»Vielleicht. Aber es ändert nichts an der Wahrheit dessen, was ich vorhin sagte.« Hercule Poirot beugte sich vor. Seine Stimme war eindringlich, zwingend: »Doktor Oldfield, ich werde mein Möglichstes tun in dieser Angelegenheit. Sie müssen jedoch mir gegenüber von absoluter Ehrlichkeit sein, ohne Rücksicht auf den äußeren Schein oder auf Ihre eigenen Gefühle. Es ist doch so, dass Sie nichts mehr für Ihre Frau empfanden, lange bevor sie starb?«
Lange Zeit schwieg Oldfield; dann entgegnete er: »Die ganze Sache bringt mich noch um. Ich muss Hoffnung haben können. Ich werde ehrlich zu Ihnen sprechen, Monsieur Poirot. Ja, meine Frau bedeutete mir nicht sehr viel. Ich glaube, ich war ihr ein guter Gatte, aber ich liebte sie nicht wirklich.«
»Und dieses Mädchen Jane?«
Dem Arzt trat der Schweiß auf die Stirn. Er gestand:
»Ich hätte sie schon längst gebeten, meine Frau zu werden, wenn dieser Skandal und dieses Gerede nicht gewesen wären.«
Poirot lehnte sich in seinem Sessel zurück und sagte:
»Endlich kommen wir zu den wahren Tatsachen. Eh bien, Herr Doktor, ich will Ihren Fall übernehmen. Aber vergessen Sie nicht: Ich werde nach der Wahrheit forschen.«
Oldfield entgegnete bitter:
»Die Wahrheit wird mir nicht wehtun!« Etwas zögernd fügte er hinzu: »Wissen Sie, ich habe die Möglichkeit einer Anklage wegen Verleumdung erwogen. Wenn ich jemand für eine wirkliche Anschuldigung verantwortlich machen könnte – dann könnte ich mich doch verteidigen. Wenigstens glaube ich es; andererseits denke ich, dass es die ganze Situation nur noch verschlimmern würde – dass die ganze Angelegenheit noch mehr ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt und die Leute sagen würden: ›Es ist vielleicht nicht bewiesen, aber wo Rauch ist, da ist auch Feuer.‹«
Er blickte Poirot an.
»Sagen Sie mir ehrlich, ob es irgendeinen Weg aus dieser Hölle gibt?«
»Es gibt immer einen Weg«, sagte Hercule Poirot.
»Wir fahren aufs Land, George«, sagte Hercule Poirot zu seinem Diener.
»Wirklich, Sir?«, meinte der unerschütterliche George.
»Und der Zweck unserer Reise ist die Vernichtung eines neunköpfigen Ungeheuers.«
»So etwas wie das Ungeheuer vom Loch Ness?«
»Weniger greifbar. Ich habe nicht auf ein Tier von Fleisch und Blut angespielt, George.«
»Dann habe ich Sie missverstanden, Sir.«
»Es wäre leichter, wenn es so wäre. Nichts ist so schwer zu packen wie der Ursprung eines Gerüchtes.«
»O ja, Sir. Es ist manchmal schwer, herauszubekommen, wie eine Sache angefangen hat.«
»Eben.«
Hercule Poirot stieg nicht bei Dr. Oldfield ab. Er ging stattdessen ins Dorfgasthaus. Am Morgen nach seiner Ankunft hatte er die erste Begegnung mit Jane Moncrieffe. Sie war groß gewachsen, mit rotbraunen Haaren und blauen Augen. Sie hatte etwas Wachsames an sich, wie
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