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Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules

Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules

Titel: Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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einem Mal wieder ganz verzweifelt aus. »Diese Frauen werden uns erpressen. Sie haben gestern Nacht alles gehört, und da wir versucht haben, es zu vertuschen, macht es die ganze Geschichte tausendmal ärger…«
     
    Harold Waring stand am Ufer des Sees. Er war über eine Stunde lang wie im Fieber herumgerannt und hatte versucht, durch körperliche Anstrengung den Tumult der Verzweiflung zu beruhigen, der in ihm tobte.
    Er kam schließlich zu dem Fleck, wo er die beiden unseligen Frauen zuerst gesehen hatte, die sein und Elsies Leben in ihren bösen Krallen hielten. Er sagte laut:
    »Zum Teufel mit ihnen! Zum Teufel mit diesen verfluchten Blut saugenden Harpyien!«
    Ein leichtes Hüsteln ließ ihn sich jäh umwenden. Er sah sich dem Fremden mit dem üppigen Schnurrbart gegenüber, der eben aus dem Schatten der Bäume getreten war.
    Harald wusste nicht, was er sagen sollte. Dieser kleine Mann hatte seinen Ausruf bestimmt gehört.
    Er suchte nach Worten und stammelte ein wenig unbeholfen:
    »Oh – hm – guten Tag.«
    Der andere erwiderte in perfektem Englisch:
    »Aber für Sie ist es, fürchte ich, kein guter Tag.«
    »Nun – hm – ich – « Harald wusste wieder nicht, was er sagen sollte.
    Der kleine Mann fuhr fort:
    »Ich glaube, Sie haben Unannehmlichkeiten. Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«
    »Oh, nein danke, danke nein! Ich habe mir nur Luft gemacht, wissen Sie.«
    »Ich glaube, dass ich Ihnen helfen könnte«, meinte der andere. »Ich täusche mich doch nicht, wenn ich Ihre Unannehmlichkeiten mit zwei Damen in Verbindung bringe, die eben auf der Terrasse saßen?«
    Harald machte große Augen.
    »Wissen Sie etwas über sie? Aber wer sind Sie eigentlich?«
    Als würde er sich zu einer königlichen Abkunft bekennen, sagte der kleine Mann schlicht:
    »Ich bin Hercule Poirot. Gehen wir ein wenig in den Wald spazieren, und Sie erzählen mir Ihre Geschichte. Wie gesagt, ich glaube, ich könnte Ihnen helfen.«
     
    Bis zum heutigen Tage ist sich Harold nicht im Klaren, was ihn bewog, einem Mann sein Herz auszuschütten, den er erst vor wenigen Minuten kennen gelernt hatte. Vielleicht war es Übermüdung. Jedenfalls aber tat er es. Er erzählte Hercule Poirot die ganze Geschichte.
    Dieser hörte schweigend zu. Ein- oder zweimal nickte er ernst. Als Harold innehielt, sagte er verträumt:
    »Die Stymphaliden mit den eisernen Schnäbeln, die sich von Menschenfleisch nähren und am See Stymphalos hausen… Ja, es passt sehr gut zusammen.«
    Harold machte große Augen. »Wie bitte?«
    Vielleicht war dieser kleine Mann verrückt, dachte er.
    Hercule Poirot lächelte.
    »Ich überlege, das ist alles. Ich habe meine eigene Art, die Dinge zu betrachten. Nun zu Ihrer Angelegenheit. Sie sind in einer sehr peinlichen Situation.«
    »Ich brauche Sie nicht, um mir das zu sagen«, brummte Harold gereizt.
    Hercule Poirot fuhr fort:
    »Erpressung ist eine böse Sache. Diese Harpyien werden Sie zwingen zu zahlen – zu zahlen – und wieder zu zahlen! Und wenn Sie ihnen die Stirn bieten, was geschieht dann?«
    »Die ganze Geschichte kommt ans Licht. Meine Karriere ist vernichtet, und eine arme junge Frau, die niemandem je etwas zuleide getan hat, wird durch den Schmutz gezerrt, und Gott weiß, wie die ganze Sache enden soll!«
    »Darum«, verkündete Hercule Poirot, »muss etwas geschehen.« Er lehnte sich mit halb geschlossenen Augen zurück und sagte (und wieder zweifelte Harold an seinem Verstand):
    »Es ist der Augenblick für die ehernen Klappern.«
    Harold sagte: »Sind Sie wahnsinnig geworden?«
    Der andere schüttelte den Kopf.
    »Mais non! Ich eifere nur dem Beispiel meines großen Vorgängers Herkules nach. Gedulden Sie sich einige Stunden, mein Freund. Bis morgen kann ich Sie vielleicht von Ihren Verfolgern befreien.«
     
    Als Harold Waring am nächsten Morgen herunterkam, saß Hercule Poirot allein auf der Terrasse. Gegen seinen Willen hatten ihn Hercule Poirots Versprechungen doch beeindruckt.
    Er kam auf ihn zu und fragte begierig:
    »Nun?«
    Hercule Poirot sagte strahlend:
    »Alles ist in Ordnung.«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Alles hat sich in Wohlgefallen aufgelöst.«
    »Aber was ist geschehen?«
    Hercule Poirot erwiderte träumerisch:
    »Ich habe die ehernen Klappern verwendet. Oder in die heutige Sprache übertragen, ich ließ Metalldrähte summen – kurz, ich habe telegrafiert. Die Stymphaliden, Monsieur, wurden an einen Ort gebracht, wo sie für eine Zeit lang außerstande sein werden, ihre

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